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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Millar
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um den Kopf.
    Das war doch keine Einbildung. Unmöglich.

Kapitel 39 Suzy
    Nachdem Suzy den Fernseher im Schlafzimmer schließlich ausgeschaltet hatte, ging sie langsam die Treppe hinunter. Sie fuhr sich durch die frisch geföhnten Haare und vergewisserte sich, dass Jez und die Kinder noch nicht vom Lunch bei seinen Eltern zurückgekehrt waren. Das Haus war leer und still. Komisch. Wenn jetzt ein Fremder hereinkäme, sähe er das Zuhause einer Familie. Aber wenn man ganz genau hinschaute, entdeckte man die dicke, fette Lüge. Das Haus war nur leerer Raum. Raum zwischen Mauersteinen und Mörtel, zwischen Glas und Dachziegeln. Raum, den Menschen im selbstgefälligen Glauben durchquerten, sie hätten aus den vielen Kubikmetern Luft etwas Besonderes geschaffen, etwas Bedeutungsvolles und Dauerhaftes. Ein Zuhause.
    Aber das war kein Zuhause. Sondern ein einziges Lügengebäude.
    Suzy setzte sich auf die Treppe und betrachtete das Foto ihrer drei Jungs. Dann zog sie zum zwanzigsten Mal seit gestern Vormittag den blauen Briefbogen aus der Hosentasche.
    Sie erinnerte sich wieder an den Abend vor zwei Jahren, an dem sie sich zum ersten Mal seit der Geburt der Zwillinge einen angezwitschert hatte. Sie saß an ihrem Küchentisch, Callie gegenüber, und kämpfte gegen ihre Lider, die immer wieder zufallen wollten, während sie mit ihrer neuen Freundin die dritte Flasche Wein leerte. Callie jammerte ihr etwas von Tom vor, der heute Nachmittag vorbeigekommen war, um Rae abzuholen. Ihr war schließlich klar geworden, dass er sie nie mehr zurückhaben wollte.
    »Nicht zu fassen, dass er mich Callie genannt hat«, nuschelte sie mit schwerer Zunge. »So hat er mich noch nie genannt. Tom nennt die Leute nie bei ihren richtigen Namen. Als ich ihm sagte, dass ich Calista heiße, nannte er mich ›Flockhart‹, nach der Schauspielerin, und später nur noch ›Flock‹. Und heute Abend hat er mich Callie genannt, als wären wir Fremde.«
    Callie war so betrunken gewesen, dass sie auf Suzys Sofa eingeschlafen war. So betrunken, dachte Suzy jetzt, als sie den Briefbogen auseinanderfaltete, dass sie wahrscheinlich keinen Schimmer mehr hatte, was sie Suzy alles erzählt hatte. Suzy selbst hatte sich an jenem Abend noch übergeben müssen, so sehr hatte sie sich verschätzt, wie viel Alkohol sie nach der langen Pause noch vertragen würde. Erst jetzt kehrte die Erinnerung zurück.
    Die Klempnerrechnung starrte ihr entgegen. »Flock Ventures«, stand im Adressfeld, darunter Jez’ Adresse. Vondra hatte zwei Minuten gebraucht, um Suzys schlimmste Befürchtungen zu bestätigen; sie brauchte lediglich den Klempner auf seinem Handy anzurufen. »Die wollte, dass ich die Rechnung an den Vater ihres Kindes ausstelle«, hatte er gesagt. »Ich dachte, ich steck sie gleich durch die Tür, dann spar ich ihr einen Weg.«
    An den Vater ihres Kindes.
    Suzy blickte wieder zu dem Foto ihrer drei Jungs, zu dem weichen Schwung von Henrys Oberlippe. Den er mit Jez gemeinsam hatte. Und mit Rae. So offensichtlich, dass sie es nun selbst sah.
    Und sie hatte beiden vertraut. Jez und Callie.
    »Du lernst es nie, Suzy«, flüsterte sie vor sich hin, stand auf und ging in die Küche.

Kapitel 40 Callie
    Rae will in den Park, aber ich beschließe, dass ihr ein Vormittag auf dem Sofa nur guttun kann. Ich weiß, das ist allein die Angst. Aber das ist mir schnuppe.
    Sie liegt da und schaut zum vierten Mal den Film an, den Suzy ihr geschenkt hat. In fünf Minuten wird Tom da sein.
    Ich föhne mir die Haare, beuge den Kopf nach unten, dass mir die nassen Strähnen vor das Gesicht fallen wie ein Vorhang. So bleibe ich stehen, solange ich es aushalte, und lecke mir über die neue Schramme auf meiner Lippe.
    Meine Augen sind verquollen, weil ich nicht geschlafen habe. Weil ich in einem quälenden Wachtraum dagelegen bin, zu dem ich selbst das Drehbuch geschrieben habe.
    »Mum! Dad ist da!«, quiekt Rae.
    Ich werfe die Haare zurück und betrachte mich im Spiegel. Meine Augen schwimmen vor Angst in Tränen. Ich höre Tom in die Wohnung kommen und versuche, mich zusammenzureißen. Wenigstens kann ich verhindern, dass er es Suzy erzählt.
    Ich gehe in die Diele und sehe, wie Tom die Tür schließt und Rae in die Arme nimmt, herzt und drückt.
    »Na, wie geht’s heute so, Monster?«, fragt er dann.
    »Gut«, murmelt sie, umschlingt seine Beine und späht zu ihm hoch. »Aber Mummy will mich nicht in die Schule lassen.«
    »Rae?«, protestiere ich. Du lieber Himmel. Dass mich jetzt

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