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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Millar
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Jack’s Bar gefeiert hatten.
    Kurz bevor alle nach Hause fuhren, hatte Guy einem alten Bekannten die Hand geschüttelt und mit ihm herzhaft über das überraschende Wiedersehen gelacht.
    Ein großer Mann, in einem schwarzen Mantel, den er fünf Minuten später auszog, als er mich zu einem Drink einlud.
    Der Mann, der vier Jahre später Guy noch einmal in die Arme lief, wieder bei Jack’s. Er erwähnte, dass er mit seiner Familie von den Staaten nach London zurückkehren wolle und ein Haus suche.
    Durch den Privatverkauf hatte Guy, wie er mir dann erzählte, ein paar Tausend Pfund Maklergebühren gespart, die er und Jez sich teilten.
    Wirklich super, das Geschäft.
     
    Es ist kalt heute Nacht, oder liegt es an mir? Ich ziehe mir die Decke über die Ohren, knipse die Nachttischlampe aus und versuche, alle weiteren Gedanken an die verfahrene Situation, in die ich mich gebracht habe, wegzudrängen.
    Aber ein Bild will sich nicht verscheuchen lassen: Toms schockiertes Gesicht an dem eiskalten Oktoberabend, als ich mich bei den grellen Lichtern des London Eye mit ihm traf und ihm unter Tränen gestand, was mir für eine unglaublich dumme Sache passiert war: Zwei Monate nach Sophies Party, seit der wir uns regelmäßig trafen, war ich mit Rae schwanger geworden.
    »Aber ich hatte Mumps als Kind«, sagte er ungläubig. »Das hätte gar nicht passieren dürfen.«
    Ich wollte ihm wirklich von meinem One-Night-Stand mit Jez erzählen. Aber dann lächelte Tom verwirrt. Sein Lächeln wurde immer breiter, er war halb schockiert, halb staunte er über das Wunder. Rings um uns hetzten Massen gestresster Pendler zum Bahnhof Waterloo. Neben uns toste die Themse; die Uferlaternen malten Streifen aus flüssigem Gold auf das Wasser. In diesem Durcheinander von blendendem Licht, Dunkel und Lärm geriet alles aus den Fugen. Tom glaubte, ich weinte aus Angst vor ihm und seinen Plänen. Er schob mich zum Geländer, weg von der Menge, und flüsterte mir ins Ohr, was immer auch geschähe, er würde sich den Rest seines Lebens um mich und dieses Baby kümmern.
    Ich verbarg mich in seinen starken Armen und hörte ihm zu. Alles könnte gut werden.
    Als ich den Mund aufmachte, um ihm die Wahrheit zu sagen, zögerte ich. Und während ich zögerte, sah ich, wie die Wahrheit ungesagt aus meinem Mund entwich und als Nebelwolke aus gefrierendem Atem im pechschwarzen Himmel verschwand.
    Da verwandelte sich eine Sekunde des Zögerns in eine lebenslange Freiheitsstrafe – für mich, für Rae, für Tom.
    Wieder lecke ich einen kleinen Blutstropfen von meiner Lippe. Jez hinterlässt gern Spuren. Und sie schmerzen – nicht zum ersten Mal.

Samstag
    Kapitel 38 Debs
    Am nächsten Morgen um Viertel vor zehn, als die Kinder und der Mann der Amerikanerin das Haus verließen, begann der Krach.
    Angefangen hatte es mit einem Klopfen an der Wand. Ein leises Klopfen, das ihr die Treppe hinauf bis ins Schlafzimmer folgte.
    Debs hielt sich Alisons Mahnung vor Augen. »Das ist nichts«, flüsterte sie vor sich hin. »Du bist nur nervös. Du leidest unter Einbildungen.«
    Dann fiel der Staubsauger in das Klopfen ein. Er lehnte oben an der Wand und brachte mit seinem gepressten Jaulen die Ziegel zum Erzittern. In der Küche lief der Mixer. Minütlich. Immer eine Minute lang, ein hysterisch hoher Schrillton. Unten in der Diele plärrte ein Radio los, in einer solchen Lautstärke, dass die klaren Konsonanten der geschulten Sprecherstimme zu Gepolter und Gezisch verwischten.
    »Ruhig bleiben«, redete sich Debs zu und säuberte die Jalousie im Bad. Von einer Lamelle nach der anderen wischte sie den Staub ab, fuhr mit dem feuchten Lappen einmal nach links, einmal nach rechts. »Das sind nur normale Geräusche. Die ganz normalen Lebensäußerungen einer Familie.«
    Aber ab halb zwei gab es überhaupt keine Atempausen mehr. Jetzt dröhnte oben ein Fernseher, gleichzeitig heulte ein Föhn. Die beiden verschmolzen zu einem stetigen, ohrenquälenden Bassgedröhn, auf das jeder Avantgardekomponist stolz gewesen wäre, rhythmisch unterlegt von explosiver Percussion in Form zuknallender Türen.
    Um zwei Uhr setzten neue Laute ein.
    Erst wusste Debs nicht, was das war. Sie lag auf dem Bett und versuchte zu lesen, da kroch es mit perfider Bosheit durch die Wände. Entsetzt ließ Debs das Buch sinken. Das war mehr als eindeutig.
    »Nein!«, jammerte sie, stieß die Ohrstöpsel noch tiefer in die Gehörgänge, dass sich der Knorpel schmerzhaft dehnte, und zog das Kissen noch enger

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