Allein die Angst
sagt: Ausgerechnet du musst reden …«
Mit der freien Hand umklammere ich den Waschbeckenrand.
»Dann kommt Graham mit der nächsten Runde von der Bar, als Jamie zu allen sagt, dass Rae braune Augen hat, aber du und ich …«
Ihm bricht die Stimme weg.
Ich schrubbe mir die Zähne so heftig, dass das Zahnfleisch zu bluten beginnt.
»Graham glaubt, dass Jamie von Genen im Allgemeinen redet, und sagt: Nein, das ist nicht möglich. Das Gen für die Augenfarbe ist autosomal rezessiv. Braunäugige Eltern können ein blauäugiges Kind haben, aber nicht andersrum. Ein braunäugiges Kind muss mindestens einen braunäugigen Elternteil haben.«
Da begegnen sich unsere Blicke im Spiegel.
Wir sehen uns mit unseren blauen Augen an.
Tom erhebt sich, um nach Rae zu sehen.
»Tom«, sage ich. »Ich weiß, dass du mir nie glauben wirst, aber ich war damals wirklich nicht sicher.«
Er betrachtet das Foto von Rae am Kühlschrank. »Doch, das warst du, Cal.«
Ich kann mich nicht bremsen, strecke die Hand aus und berühre ihn am Arm. Und einen Augenblick lang lässt er meine Berührung zu.
»Du wirst immer ihr Dad sein.«
Er entzieht mir seinen Arm.
»Da brauche ich nicht dich, um mir das zu sagen.«
»Gut. Aber bitte sag Suzy nichts«, flüstere ich.
Er lässt die Hand auf die Tischplatte fallen und fängt an, mit den Fingern zu trommeln.
»Ich will diesen Typen nicht mehr in Raes Nähe sehen. Das ist die Bedingung«, sagt er und geht zur Küchentür.
Ich beiße mir auf die zerschrammte Lippe.
Erst einen Moment später merke ich, dass er noch etwas sagt. Mit stockender Stimme.
»Und in deiner auch nicht, Cal. Ich will nicht, dass er dir noch einmal in die Nähe kommt.«
Überrascht blicke ich auf, aber er entfernt sich von mir und geht in die Diele.
»Tom …?«
»Das ist die Bedingung, habe ich gesagt.«
Kapitel 41 Debs
Nachmittags um drei war plötzlich alles still. Die Haustür der Amerikanerin schlug zu, danach war der Spuk zu Ende.
Debs lag in Gebetshaltung auf dem Boden des Gästezimmers, den Kopf zwischen den Händen, und wagte sich kaum zu rühren.
Noch zehn volle Minuten lag sie da und zählte. Als allmählich wieder Vogelgezwitscher und das ferne Rauschen des Verkehrs in den Raum drangen, wickelte sie langsam ihren Kopfverband, bestehend aus Allens samtlichen Wollschals, ab und zog die Ohrstöpsel heraus. Ihre Ohrknorpel fühlten sich wund und geschwollen an. Probeweise stand sie auf, lautlos. An der Tür umfasste sie vorsichtig den alten Türknauf, hielt den Atem an und drehte ihn; beim gedämpften Klicken des Schlosses zuckte sie zusammen. Sie streckte den Kopf in den oberen Flur, um sich zu vergewissern.
Nichts.
Die Stille war Balsam für ihre Ohren, wie damals das warme Olivenöl, das Mum ihr bei Ohrenschmerzen in die Gehörgänge träufelte.
Sie biss sich auf die Lippe, huschte mit ein paar winzigen Schritten über den Flur zum Treppengeländer und stützte sich mit dem vollen Gewicht darauf, um ihre Füße zu entlasten. Wenn sie sich so fortbewegte, die Hände auf dem Holzgeländer Stück um Stück nach unten schob und sich darauf abstützte, könnte sie mit einem Minimum an Trittgeräusch nach unten gelangen.
Drei Minuten später trippelte sie auf Zehenspitzen nach hinten in die Küche. Sie vermied jeden Blick zur Wand, die sie mit der Amerikanerin teilte, wie eine Geisel jeden Blickkontakt mit einem Bankräuber scheut. In der Küche merkte sie, wie ausgedörrt ihre Kehle war. Sie schaltete den Wasserkocher ein, wölbte dabei die linke Hand über den Schalter, um das Klicken zu dämpfen.
Schließlich stieß sie einen langen Seufzer aus und fühlte sich tapfer genug, um einen Becher und einen Teebeutel zu holen.
» KLICK .« Der Wasserkocher schaltete automatisch ab.
»Ahhhh!«, rief sie unterdrückt und schlug sich dann sofort die Hände auf den Mund.
Da entdeckte sie auf dem silbernen Wasserkocher ihr eigenes Spiegelbild. Ein irrer Blick, beide Hände auf den Mund gepresst.
Um Himmels willen, was geschah da bloß mit ihr?
Sie goss leise den Tee auf, nahm Milch aus dem Kühlschrank und drückte die Tür wieder zu, dass sie ein zartes »Schschsch« aushauchte. Plötzlich fiel Debs wieder ein, wie Allen gestern Abend die Scherben der Teekanne, die seiner Mutter gehört hatte, auf der Arbeitsplatte ausgebreitet hatte, während sie beschämt hinter ihm stand.
»Ich muss ihr in dem Ding Tausende Tassen Tee gemacht haben«, sagte er und schob zwei Bruchstücke des Henkels
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