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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Millar
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entriegelte Autotüren wurden geöffnet. Debs sah kleine Füße vom Pflaster verschwinden und hörte die hintere Autotür zuschlagen.
    Dann drang ein Wispern zu ihr durch. Ein sehr merkwürdiges Wispern.
    Sie spitzte die Ohren und hörte die Amerikanerin ein Selbstgespräch führen. Mit einer hohen, unangenehmen Fistelstimme. Erst nach einer Schrecksekunde erkannte Debs, dass die Amerikanerin Rae nachäffte.
    »Mummy hat mich gelaaa-ssen!«, wisperte Suzy ein paarmal. Dann fiel die Stimme in ihre normale Tonlage zurück, blieb aber leise. »Na, dann sehen wir mal, was Mummy macht, wenn Aunty Suzy die Galle platzt, weil sie sich lange genug hat verarschen lassen, Knuddelbäckchen!«
    Damit öffnete sie die Fahrertür und setzte einen Fuß in den Wagen, um einzusteigen. Debs beugte sich unwillkürlich vor und streckte sinnlos die Arme nach dem kleinen Mädchen aus, das im Auto eingesperrt saß. Da stieß sie an die Hecke, es raschelte, und Debs sog hörbar die Luft ein.
    Die Füße der Amerikanerin erstarrten mitten in der Bewegung.
    Sie schwangen sich wieder aus dem Auto – und richteten sich geradewegs auf Debs.
    Debs kniff die Augen fest zusammen.
    »Schauen Sie mich an.«
    Die Worte waren kalt und überdeutlich. Debs schlug die Augen auf und blickte in Suzys Gesicht, das durch die Hecke starrte.
    »Ich habe Sie beobachtet«, sagte die Amerikanerin kalt. »Sie bespitzeln schon wieder unsere Kinder. Sie haben meine Nachricht wohl nicht gekriegt, was?« Sie hob den Arm und ballte die Hand zur Faust. »Ich schlag Ihnen die Fresse ein, dass die Zähne hinten wieder rauskommen. Das ist meine letzte Warnung. Soll ich’s Ihnen noch mal auf den Anrufbeantworter sprechen?«
    Damit drehte sich Suzy um, setzte sich ins Auto, ließ den Motor an und fuhr davon.
     
    Großer Gott.
    Debs saß auf den Pflastersteinen ihres Vorgartens.
    Großer Gott.
    Sie hatte die ganze Zeit über recht gehabt.
    Debs war verzweifelt, ihre Gedanken kreisten wie Windmühlenflügel. Diese Frau war ein Ungeheuer. Was dachte sich Callie dabei, ihr Rae anzuvertrauen? Debs’ Blick flackerte zu Callies Haustür hinüber. Einen Augenblick überlegte sie, ob sie hinüberrennen und an die Tür hämmern sollte, ihr weitersagen sollte, was Suzy gerade gesagt hatte. Was Debs gerade durch die Hecke und den ganzen Vormittag durch die Wand gehört hatte.
    Aber die junge Frau hatte auf ihre Nachricht von gestern überhaupt nicht reagiert. Wenn Debs an ihrer Tür auftauchte und von Drohungen in grüner Kreide und komischen Anrufen faselte, würde sie wahrscheinlich die Polizei rufen.
    Es war das reine Grauen.
    Da war natürlich noch Allen …
    Sie erwog, ob sie in die Diele laufen und ihn anrufen sollte. Würde er sie ernst nehmen?
    »Ach herrje«, stöhnte sie. Was nützte ein Mann, der einem kein Wort glaubte?
    Da ging auf der anderen Seite ihres Hauses, in der Nr.  17 , eine Tür auf; Debs blickte überrascht hoch. Es folgten scharrende Geräusche. Debs bückte sich, lugte neugierig durch die Hecke rechts und sah eine Frau in den Sechzigern mit einem perfekt geschnittenen Bob, der ihre breiten Wangenknochen umrahmte. Sie hatte sich hingekniet und starrte auf den Boden.
    »Ach, guten Tag«, sagte die Frau und sah zu Debs hoch. »Sind Sie gerade eingezogen?«
    »Ja«, sagte Debs verlegen, beim Spähen durch die Hecke ertappt. Sie erhob sich rasch und ging zu einer Lücke im Grün. »Hallo – ich bin Debs.«
    »Beattie«, stellte sich die Frau vor, wischte ihre erdige Hand an der Hose ab und hielt sie Debs dann zwischen den Zypressenzweigen entgegen. »So was Seltsames«, sagte sie. »Ich bin gerade von Suffolk zurückgekehrt und habe entdeckt, dass jemand alle Kiesel in meinem Vorgarten umgeordnet hat.«
    »Oh!«, entfuhr es Debs.
    »Was haben Sie denn?«
    »Ich … ich …« Sie bekam kein weiteres Wort heraus; ihr Atem ging stockend.
    »Ich … ich …«, platzte sie heraus, blieb aber wieder stecken und gab auf, als heftige Schluchzer aus ihr herausbrachen; die Tränen liefen ihr nur so herunter.
    »O je«, rief die Frau, »was haben Sie denn, Sie Arme? Ist Ihnen nicht gut?«
    Debs schüttelte den Kopf, brachte aber immer noch kein Wort hervor.
    »Kommen Sie doch rüber«, sagte Beattie und winkte zum Gartentor. »Kommen Sie ein Weilchen herein. Vielleicht kann ich helfen.«
    Debs ließ die Schultern fallen und folgte der Aufforderung. Sie verließ ihren Vorgarten, und da stand ihre neue Nachbarin schon an ihrem Gartentor und streckte die Hand aus, um

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