Allein die Angst
kurz die Stirn. Henry war nur wegen Rae hier, wie beide Mütter sehr wohl wussten. »Wir machen um halb sechs Schluss.«
Suzy lächelte. Sie fing Raes Blick auf und winkte sie zu sich.
»Süße, du siehst müde aus«, sagte sie.
»Mir geht’s aber gut.«
»Da bin ich mir nicht so sicher. Kannst du mal kurz mit mir zum Auto kommen, damit ich nachsehen kann?«
»Äh – okay«, stotterte Rae verwirrt.
Suzy nahm sie an der Hand und ging zu Henry hinüber.
»Honey, gib Mummy ein Küsschen, ja?« Aber der kleine Junge war zu aufgeregt, er hatte sich bereits umgedreht und beobachtete gebannt die anderen Kinder, was die machten. »Henry«, wiederholte Suzy. »Schau mich an. Gib Mummy einen Kuss.« Er wandte ihr die Backe zu, aber nicht die Lippen; sein Blick irrte schon zur Eisbahn. Sie spürte, wie sich seine Muskeln genau wie bei seinem Vater anspannten, um sie wegzustoßen. »Henry – hör mir zu! Daddy kommt dich später abholen. Ich will, dass du für Daddy ein braver Junge bist, ja?« Als er nicht antwortete, schlang sie die Arme um ihn und drückte ihn fest an sich. »Ich hab dich lieb, Honey«, sagte sie.
Aber Henry hatte sich schon halb aus ihren Armen herausgewunden und zappelte, um sich ganz von ihr zu befreien.
»Lass mich!«, schrie er und schlug auf sie ein.
Suzy sah, was Caroline für ein Gesicht zog.
»Okay, Süße«, murmelte sie zu Rae, »machen wir, dass wir rauskommen.« Sie schob sie aus der Eingangstür, bevor Caroline noch lange überlegen konnte, ob sie Henry allein dabehalten wollte.
Draußen war der helle Himmel von vorhin wie mit Bleistiftschraffur überschattet. Schwere Regentropfen fielen ihnen auf den Kopf. Rae verrenkte sich den Hals nach hinten.
»Aber ich will zu der Party!«, begann sie zu jammern.
Suzy öffnete die Autotür und schob sie hinein.
»Nicht jetzt, Honey. Wir machen jetzt eine kleine Fahrt.«
Kapitel 45 Callie
Ich kann den Blick nicht von der Uhr wenden. Es ist kurz vor vier, die Party ist um halb sechs zu Ende. Sie brauchen eine Viertelstunde, um sich zu verabschieden, zum Auto zu gehen und nach Hause zu fahren. Eindreiviertel Stunden. Die werde ich schon überleben. Suzy ist da, Jez auch. Falls ich gebraucht werde, bin ich in fünf Minuten dort.
Ich muss Rae diesen Freiraum lassen. Ich habe ihr das Leben geschenkt, jetzt muss ich ihr auch die Chance geben, es zu leben.
Damit ich nicht dauernd an Raes Abwesenheit denke, fuhrwerke ich in der Wohnung herum und räume auf. Komisch. Seit Debs überall Ordnung geschaffen hat, muss ich zähneknirschend zugeben, dass es mir so besser gefällt; ich habe schon begonnen, ihre Ordner zu benutzen, habe heute früh die Rechnung von den Gaswerken geöffnet, an die Pinnwand geheftet und den Umschlag zum Altpapier gelegt. Wenn die Wohnung aufgeräumt ist, werden auch meine Gedanken klarer. Der Nebel lüftet sich.
Unerwartet klingelt das Telefon. Ich stürze hin, falls Suzy von der Eisbahn anruft. Die Nummer wird nicht angezeigt – wahrscheinlich ist es der Polizeibeamte. Wird auch Zeit, dass der sich meldet.
»Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat«, entschuldigt er sich. »Aber ich habe Ihnen nicht viel zu berichten. Denn wir können Deborah Ribell nichts zur Last legen. Es gibt keinerlei Hinweis, dass sie Ihre Tochter auf die Straße gestoßen hat, auch nicht von Ihrer Tochter selbst. Mehr kann ich im Moment auch nicht dazu sagen.«
»Aber als ich davon gesprochen habe, dass mich ihr Verhalten beunruhigt, klang es, als wüssten Sie in diesem Zusammenhang etwas.«
»Alles Vorwissen bezüglich Mrs. Ribell ist vertraulich«, wiederholt er aufreizend amtlich. »Da kann ich nicht viel für Sie tun.«
»Aber das ist doch absurd! Sie läuft auf unserer Straße herum, schreit mich und meine Freundin an und erschreckt unsere Kinder. Was braucht es denn noch? Dass sie handgreiflich wird?«
Er schweigt kurz, ich höre ihn tief Luft holen. »Wir können schon einmal gar nicht aktiv werden, wenn Sie keine Anzeige erstatten. Hat die Frau Sie beschimpft oder körperlich angegriffen?«
»Nein.«
»Hat sie Sie bedroht?«
»Nein!«, sage ich erbittert. »Sie hat mein Haus geputzt, ohne mich zu fragen.«
Er sagt nichts.
»Und sie beunruhigt mich einfach. Ich traue ihr nicht.«
»Dagegen können wir leider nichts unternehmen. Wir können sie nicht festnehmen, weil sie putzt oder jemanden beunruhigt …«
Ich muss ihm zugutehalten, dass er das nicht mit einem hörbaren Lächeln sagt.
»Aber sie ist Lehrerin an der
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