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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Millar
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nicht glauben, aber …«
    »Callie?« Die Stimme kommt mir bekannt vor, aber ich kann sie nicht mit einem Namen verbinden.
    »Ja?«
    »Hier ist Caroline, Hannahs Mutter.«
    »Oh – hallo!«, sage ich überrascht. »Alles in Ordnung?«
    »Tut mir leid, Callie – nicht ganz. Leider macht Henry … nun, er macht ein bisschen Ärger. Er hat einen anderen kleinen Jungen auf dem Eis umgeschubst. Ziemlich aggressiv. Ich fürchte, ich habe keine Zeit, mich damit zu befassen. Ich habe es bei Suzy versucht, aber die hat ihr Handy ausgeschaltet. Geht es Rae so gut, dass du ihn abholen kannst?«
    »Entschuldige, Caroline – was hast du gerade von Rae gesagt?«
    »Hat Suzy sie nicht zu dir gebracht?«
    »Nein.« Ich stehe auf und schaue wieder aus dem Fenster, ob sie womöglich gerade zurückgekommen sind, aber weit und breit ist nichts von ihnen sehen. Suzys Auto steht nicht auf der Straße. »Bitte – warum sollte sie Rae bei mir vorbeibringen? Entschuldige, Caroline, aber ich verstehe nicht ganz.«
    »Oh. Das ist komisch. Suzy hat Rae sofort wieder mitgenommen, als sie Henry hier abgesetzt hat. Sie sagte, Rae fühle sich nicht wohl. Es tut mir leid, ich habe einfach angenommen, dass sie sie zurück zu dir bringt.«
    Hektisch sehe ich auf die Uhr. Sie sind schon eine halbe Stunde unterwegs. Wo stecken sie denn?
    »Caroline, was heißt, sie fühlte sich nicht wohl? Hat sie komisch geatmet?«, blaffe ich in den Hörer.
    »Nein, nein, Callie. Eigentlich fand ich, dass sie sehr gut aussah. Ehrlich gesagt war ich etwas verwirrt und konnte nicht nachvollziehen, warum Suzy sie nach Hause bringen wollte. Aber mach dir keine Sorgen. Ich werde Henry hierbehalten, bis ich von …«
    Aber ich höre nicht mehr zu. Im Galopp renne ich die Treppe hinunter.

Kapitel 46 Debs
    Der Regen rauschte mächtig vom Himmel. Als Debs beim Palast ankam, wischte sie ihre Brille trocken, doch kaum hatte sie sie wieder aufgesetzt, beschlug sie von neuem.
    Keuchend begann sie ihre Suche. Sie sah an allen erdenklichen Orten nach: auf dem Parkplatz vor der Eisbahn, auf dem Grasgelände daneben, auf der Promenade vor dem Palast. Sie ging sogar zur Eislaufhalle und spähte durch die hohen Glastüren, doch im Gewirr der Kinder, die auf der Eisbahn kreisten, war von Raes mausbraunen Locken nichts zu sehen. Sie lief zur Rückseite des Palasts und sah sich auf dem Spielplatz um, der sich rasch leerte; mit Regenmänteln und Gummistiefeln vermummte Eltern und Kinder liefen scharenweise davon, als der Wolkenbruch nicht aufhören wollte.
    »Wo stecken die bloß?«, murmelte Debs.
    Sie drehte eine Runde um den Ententeich, doch dort war nichts weiter zu sehen als schlammiges, vom Regen aufgewühltes Wasser. Dann durchsuchte sie den Skate-Park mit seinen glatten, stummen Rampen. Nichts.
    Alles war menschenleer. Das war typisch hier oben beim Palast. Erst wimmelte es von Leben. Im nächsten Moment verwandelte sich die Szenerie in einen leeren, hügeligen Landschaftspark mit düsteren Winkeln und bedrohlichen Durchschlupfen zwischen den Sträuchern, unübersichtlichen Biegungen und Hügeln, bei denen man nicht wusste, was dahinter lag – alles unbehaglich weit entfernt und unüberschaubar. Debs’ nasse Strickjacke klebte an ihren Armen, die Hose an ihren Beinen; sie fühlte sich wie vakuumverpackt. Der Regen hatte ihr die Haare an den Kopf geklatscht. Sogar in ihre Schnürschuhe war er eingesickert; ihre Socken fühlten sich unangenehm feucht an.
    Wo waren diese Frau und Rae abgeblieben?
    Sie sprang mit einem Aufschrei zur Seite, als ein Bullterrier mit schlingernden Sprüngen auf sie zujagte. Sein Besitzer, ein mürrischer Mann mit Regenjacke, rief ihn ohne Entschuldigung zurück.
    Scheißnerven! Sie hatte es satt, sich dauernd einschüchtern zu lassen.
    »Rae!«, rief sie schwach, als würde das helfen.
    Dann stieg sie wieder zum Palast hinauf und blickte über London und das steil abfallende Parkgelände vor dem Palast. Dort unten konnten sie doch wohl nicht sein? Da gab es in diesem Regen doch nichts zu tun. Keine Parkanlagen, keinen Unterstand. Nur Bäume und Wege durch den Wald.
    Wald.
    Bei diesem Stichwort lief es ihr kalt über den Rücken. Sie war nicht mehr im Wald gewesen seit dem Tag, als dieses fürchterliche Poplar-Mädchen aus der Zehnten und ihr widerlicher Freund ihr im Victoria-Park aufgelauert hatten. Sie hatten sie abgepasst, als sie am Samstagvormittag einen Spaziergang machte, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Sie hatten sie

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