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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Millar
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über sie und küsse sie auf die Haare. Sie sind feucht und aus dem Gesicht nach hinten gekämmt. Die roten Bäckchen sind bleich geworden, und als ich Raes Hand in der meinen halte, flehe ich sie stumm an, ihre Finger wieder steif zu machen und sie mir trotzig zu entziehen. Aber sie bleiben schlaff zwischen den meinen liegen.
    Mein Kleines. Unser kleiner Sonnenstrahl.
    Und dann küsst Tom Raes Gesichtchen ab, und die Schwestern machen sich daran, sie davonzurollen. Aber ich kann ihre Hand nicht loslassen, Tom und die Schwestern müssen mich sanft dazu zwingen.

Kapitel 55 Callie
    Ich weiß nicht, wie lange ich warte, bis Rae aus dem OP kommt. Zehn Minuten oder zehn Stunden? Die Zeit, habe ich gelernt, folgt in der Klinik anderen Gesetzen.
    Tom und ich sitzen nebeneinander und halten uns an unseren Stühlen fest; unsere Schultern berühren sich. Ich wiege mich in seiner Wärme leise hin und her, konzentriere mich auf das Geräusch meines Atems. Jeder Atemzug scheint eine Ewigkeit zu dauern. Mein Atem geht tief und langsam, wie Wind, der über ein leeres Feld streicht.
    Das haben wir schon einmal durchgemacht.
    Jetzt erinnere ich mich. An diesen Schwebezustand. Diesen Flug durch ein Gewitter, durch Turbulenzen und Blitze, bei dem man sich an die Sitze krallt. Und betet, dass man heil landet.
    Wir können jetzt nur warten – atmen, beten und warten.
     
    Ich weiß nicht, wann Suzy auftaucht, aber es muss lange nach Mitternacht sein. Als sie mich aus meiner Trance holt, bemerke ich plötzlich, dass Tom nicht hier ist. Ich frage mich, ob sie gewartet hat, bis er auf die Toilette geht oder zum zehntenmal nach einem Arzt sucht, um ihn nach dem Stand der Dinge zu fragen.
    Sie hat ein Pflaster quer über die Nase, Veilchenaugen und den Arm in einer Schlinge. Ihr Anblick weckt in mir den Wunsch, mich an sie sinken zu lassen. Die Uhr vierundzwanzig Stunden zurückzudrehen und in das ganz normale Leben zurückzukehren, nach Hause in die Churchill Road, als Rae sich so auf die Party freute.
    »Ach Honey«, murmelt Suzy und setzt sich vorsichtig auf Toms Stuhl. »Ich kann es noch kaum glauben. Es tut mir ja so leid.«
    »Wie geht’s dem Arm?«, frage ich.
    »Der ist gebrochen«, sagt sie. »Tut höllisch weh. Aber die haben mir was gegeben.«
    Ich sehe sie mitleidig an.
    »Ach Honey«, wiederholt sie und legt den Kopf auf meine Schulter. »Was kann ich tun? Ich begreife nur nicht, warum sie keinen Gurt umhatte. Ich habe sie an der Eisbahn angeschnallt.«
    Ich schüttle den Kopf und schniefe: »Das ist wahrscheinlich meine Schuld. Der Gurt hinten in meinem Auto schnürt ihr die Brust ein; er ist ein altes Modell, das viel zu früh sperrt. Ich erlaube ihr, ihn selber abzumachen und die Sperre zu lösen.«
    Suzy nickt und streicht mir über den Arm.
    »Ist Jez bei den Kindern?«, frage ich.
    »Seine Eltern sind gerade angekommen, um uns zu unterstützen.« Sie verdreht die Augen. »Gott sei uns gnädig. Zum Glück reisen sie am Montag ab – sie fliegen nach Südafrika.«
    »Hast du schon mit der Polizei gesprochen?«, frage ich.
    »Der Beamte, dieser junge Typ, ist gerade in die Klinik gekommen. Vorher haben sie die Bekloppte verhört. Cal, du musst diesem Typen Feuer unter dem Hintern machen. Wie oft hast du diese Woche versucht, mit ihm über sie zu reden?«
    Ich sehe sie an. »Dreimal?«
    »Und was hat er gesagt?«
    »Er hat mir den Tipp gegeben, sie zu googeln.«
    Suzy bleibt der Mund offen.
    »Das ist alles? Ernster hat er dich nicht genommen?«
    Als ich ihr verärgertes Gesicht sehe, erinnere ich mich plötzlich. Ich springe auf und schlage mir die Hände vors Gesicht.
    »O Gott, ich hab’s dir gar nicht erzählt.«
    »Was denn, Honey?«
    »Ich habe sie wirklich gegoogelt. Ihr wurde der Prozess gemacht, Debs. Sie hat ein Kind geschlagen.«
    »Wusste ich’s doch!«, ruft Suzy. »Was hab ich dir gesagt?«
    »O Gott«, murmle ich. »Du hast recht. Ich hätte mich von dem Beamten nicht so abspeisen lassen dürfen. Vor allem, nachdem du mir erzählt hast, was ihr Mann im Garten sagte. Ehrlich, Suzy, ich glaube, du könntest recht haben. Vielleicht hat sie Rae am Mittwoch geschlagen, vielleicht ist sie deshalb auf die Straße gestürzt.«
    Bevor ich mich bremsen kann, stöhne ich auf und schlage mir mit der Hand heftig an die Stirn. So fest, dass mein Kopf nach hinten fliegt. Das mache ich ein paarmal hintereinander, bis Suzy einschreitet.
    »Honey!«, ruft sie erschrocken. »Lass das!« Sie beugt sich vor, eine Bewegung, bei

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