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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Millar
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dann bedrängten sie Bilder, wo Jez gerade war – und was er gerade trieb –, und ihre Lider öffneten sich gleich wieder. Ihr entfuhr ein Stöhnen.
    Sie setzte sich auf, stieg wieder aus dem Bett und schaute aus dem Schlafzimmerfenster. Bei Callie schien gedämpftes Licht aus dem Wohnzimmer.
    Jez war dabei, sie zu verlassen, und Callie ging wieder arbeiten.
    Suzy tappte aus dem Schlafzimmer, stieg leise in Henrys Bett und zog den schlafenden kleinen Jungen an sich, um sich an ihm zu wärmen.

Sonntag
    Kapitel 11 Callie
    Ich hatte vergessen, wie viel Spaß Shoppen machen kann.
    Rae und ich kommen am Sonntagnachmittag von Brent Cross zurück und blockieren mit unseren neuen, blütenfrischen Einkaufstüten den Gemeinschaftsflur, bis ich unsere Wohnungsschlüssel hervorgesucht habe.
    Als ich ihn in die Tür stecke und nach links drehe, geht jemand hinter mir vorbei. Ich drehe mich um und sehe die Somalierin von der Wohnung oben. Sie ist gerade zur Haustür hereingekommen, mit einer Plastiktüte voller Lebensmittel: in weißes Papier eingewickeltes Fleisch und große gelbliche Knollen, ein mir unbekanntes Gemüse.
    »Hallo! Wie geht’s«, frage ich und wedle mit der Hand, auch wenn mir bewusst ist, dass das Fragen keinen Zweck hat.
    Sie winkt zurück, sieht Rae mit großen, sanften Augen an und streicht ihr über die Wange.
    »Ah«, sagt sie lächelnd.
    Rae starrt erst den Bauch der Schwangeren an, dann mich; sie schielt kurz nach links, damit auch ich mir den Bauch ansehe. Die Frau lacht und hält vier Finger hoch. Ich glaube, sie meint, dass sie noch vier Monate vor sich hat. Es könnte aber auch heißen, dass sie im vierten Monat ist. Ich nicke lächelnd und strecke den Daumen hoch, um ihr Glück zu wünschen.
    Als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, habe ich versucht, mich vorzustellen und ihren Namen herauszufinden, aber sie hat mich in ihrem hübschen Singsang mit einem Schwall Arabisch überschüttet, und ich konnte nicht heraushören, was davon ihr Name war. Einmal habe ich ihre Post zu sehen bekommen; wahrscheinlich heißt sie Nadifa, aber das war bei dem Wortschwall nicht dabei gewesen, deshalb scheue ich mich, sie so zu nennen; es könnte ja auch ihr Nachname sein. Und jetzt finde ich es zu spät und unhöflich, noch einmal nachzufragen.
    An mir nagt das Gefühl, versagt zu haben; ich denke, wir werden wohl aneinander vorbeileben, durch nichts verbunden als unsere gemeinsame Adresse in dieser Straße, genau wie es mir mit der Frau mit den schmiedeeisernen Blumenkästen ergangen ist.
    Die Frau winkt zum Abschied und steigt die Treppe hoch, dass ihr langes Kleid um ihre Füße raschelt; sie geht zu ihrem schüchternen Mann hinauf, der ebenfalls lächelt, mir aber nie in die Augen blickt, begibt sich in eine Welt, von der ich nichts mitbekomme als die leisen Schritte über meinem Kopf und die interessanten Essensdüfte, die gelegentlich in meine Wohnung dringen und Sehnsucht nach etwas wecken, was ich gar nicht kenne.
    »Magst du deine Kleider noch mal anprobieren, Mummy? Bittebitte!«, ruft Rae und läuft mir voraus in die Wohnung. Sie fand Brent Cross toll, stürzte sich auf hundert Sachen in zehn Läden und rief dauernd: »Wie wär’s denn damit, Mum?«, bis ich sie bitten musste, damit aufzuhören, weil die Verkäuferinnen schon genervt dreinschauten. Rae überredete mich auch, mich bei John Lewis schminken zu lassen – ein komisches Gefühl, diese dicken, pudrigen Schichten in meinem Gesicht. Es ist so lange her, seit ich zum letzten Mal Make-up getragen habe, dass ich mich fühle wie mit Malkreiden beschmiert.
    »Na gut«, lenke ich lächelnd ein. Ich lechze nach einer Tasse Tee, aber eigentlich ist es besser, in Bewegung zu bleiben. Jedes Mal, wenn ich innehalte und mir vorstelle, dass ich morgen nach Soho fahre und Guys Studio betrete, ist mir, als zucke mein nervöser Magen unter einem Stromstoß zusammen.
    Wir gehen gleich in mein Zimmer und legen die neuen Sachen auf mein Bett: zwei Kleider, eine dunkle, gutgeschnittene Jeans, drei Tops, ein Paar Sandalen und einige Schminkutensilien. Meine Einkäufe wirken wie ein Blumenstrauß, der den Raum mit neuem, frischem Duft und kräftigen, klaren Farben belebt.
    »Zuerst das Glänzende«, kommandiert Rae und springt auf dem Bett auf und ab. Sie hat eine rosa Sonnenbrille auf und einen Lutscher im Mund, den ich ihr gekauft habe, weil sie »so brav« gewesen ist.
    Ich streife mir das T-Shirt über den Kopf und greife zu dem silbernen Etuikleid.

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