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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Millar
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den Arzt weitere zwei Minuten aus, nach welchen Symptomen wir – besser gesagt, ich – Ausschau halten sollten, wenn wir wieder zu Hause sind. Für alle Fälle. Du bist eine Rabenmutter, teilt er mir mit seinem Verhalten mit. Hörst du wenigstens zu?
    Gott sei Dank war Kate samt ihren kritischen Blicken schon verschwunden, als ich wieder in die Klinik kam. Tom informierte mich frostig, sie hätten beschlossen, Kate solle wieder nach Sri Lanka zurückkehren, da es Rae viel besser ging, als er nach Suzys panischem Anruf erwartet hatte. Im Moment sei Kate im Produktionsbüro in Soho und lege die Fototermine um. Sie selbst werde ein paar Tage lang Toms Hintergrundaufnahmen übernehmen, bis er sicher sei, dass sich Rae vollständig erholt hat; erst dann werde er zurückfliegen.
    Als wir die Klinik verlassen, möchte Rae selber laufen.
    »Tut gar nicht mehr weh, Mummy!«, ruft sie, obwohl sie hinkt.
    »Kommt gar nicht in Frage«, knurrt Tom, nimmt sie mit großem Getue auf den Arm, trägt sie durch den Flur zum Parkplatz hinaus und hebt sie in mein Auto. Was, glaubt er, wird sie nächste Woche machen, wenn er nicht mehr da ist? Ich schnalle Rae im Kindersitz an und warte, bis Tom in seinen Jeep gestiegen ist.
    Auf der Rückfahrt durch Nordlondon sehe ich, wie Rae dem hinter uns fahrenden Tom immer wieder zuwinkt. Ich habe sie heute auch dabei ertappt, wie sie uns im Klinikzimmer beobachtet hat, wie ihre Augen immer wieder von mir zu ihm, von ihm zu mir flitzten. In ihrem lebhaften Gesicht zuckte und arbeitete es nur so; offenbar phantasierte sie sich die Geschichte zurecht, dass Papa und Mama wieder zusammen waren.
    »Alles in Ordnung?«, frage ich, als wir in die Churchill Road einbiegen.
    »Mhm«, murmelt sie und rutscht im Sitz tiefer nach unten.
    Ich parke in der letzten Lücke; Tom muss aus der Churchill Road in das Parallelsträßchen mit den Garagen einbiegen, das hinter meiner Wohnung verläuft, und sein Auto dort abstellen. Rae und ich steigen aus und gehen zur Ecke vor.
    Tom taucht aus dem Sträßchen auf, die Autoschlüssel in der Hand. »Wo ist es passiert?«, fragt er. Ich deute auf die Unglücksstelle an der Ecke.
    »Rae?«, beginne ich behutsam. »Erinnerst du dich, was gestern Abend passiert ist, als du auf die Straße gefallen bist?« Sie hat uns schon gesagt, sie sei »bloß ausgerutscht«, wahrscheinlich um einer Diskussion aus dem Weg zu gehen, warum sie rannte, wo ich ihr doch vierundzwanzig Stunden vorher eingeschärft hatte, ja nicht zu rennen. »Hast du an deine Verabredung mit Hannah gedacht? Warst du enttäuscht? Ist es deshalb passiert?«
    »Cal«, sagt Tom, »lass gut sein. Nicht jetzt. Sie wird es uns erzählen, wenn sie so weit ist.«
    Ach, wie ich es liebe, wenn Tom versucht, die Zügel in die Hand zu nehmen, als glaubte er, wir verharrten während seiner Abwesenheit in einer Art Starre und warteten nur darauf, dass er aus dem Ausland zurückkehrt und uns mit seinen Ansichten wieder in Trab bringt.
    Tom nimmt Rae wieder auf den Arm und trägt sie zu unserer Haustür. Ach ja, die Schlüssel, denke ich. Die muss Suzy haben. Ich will schon über die Straße gehen, um sie zu holen, da sehe ich Tom ins Haus treten.
    »Hast du die Tür offen gelassen?«, ruft er.
    »Nein.« Eigenartig.
    Rasch folge ich den beiden, dränge mich an ihnen vorbei. Auch die Wohnungstür steht offen. Stirnrunzelnd werfe ich Tom einen kurzen Blick zu. Er schlüpft sofort in die Beschützerrolle, setzt Rae behutsam auf der Treppe ab und stellt sich vor mich.
    »Der Klempner kann nicht mehr da sein«, murmle ich.
    »Bleib hier stehen«, fordert er mich auf und betritt die Wohnung. Ich folge ihm und bedeute Rae stumm, sie soll auf der Treppe warten. In der Wohnung riecht es komisch. Nach Putzmitteln, unter die sich eine unangenehme, feucht-modrige Note mischt, als wäre aus den Spalten dieses verwahrlosten Hauses stinkender Schimmel herausgescheuert worden. Erst auf den zweiten Blick merke ich, dass etwas anders ist. An den Garderobehaken hängen nur noch zwei Mäntel, und die Schuhe darunter stehen in Reih und Glied.
    »Was zum …«, setze ich an. Hat Suzy für uns aufgeräumt?
    Tom späht in die Küche und schüttelt verneinend den Kopf, dann tritt er ins Wohnzimmer. Ich gehe an ihm vorbei zu meinem Schlafzimmer und stoße die Tür auf.
    Da steht Debs. Sie summt vor sich hin und breitet über mein abgezogenes Bett ein frisches Leintuch aus.
    Der Anblick ist so befremdend, dass ich den Kopf schütteln muss und noch

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