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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Millar
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die sie in der Klinik angeschaut hat. Rae hinkt auf Suzy zu und nimmt die DVD strahlend in Empfang. Suzy beugt sich herunter und umfasst Raes Gesicht mit beiden Händen. »Du siehst heute viel besser aus, Süße«, sagt sie. »Hast wieder rote Bäckchen. Weiter so.«
    »Danke, Aunty Suzy«, ruft Rae und humpelt zum DVD -Spieler.
    Ich nehme Suzy am Arm und schiebe sie in die Küche.
    »Was ist denn passiert, um Himmels willen?«
    Stirnrunzelnd schüttelt sie den Kopf, zieht einen Stuhl vor und setzt sich. Einen Moment lang glaube ich, sie fängt zu sprechen an, aber dann schweigt sie doch und wirft stattdessen einen Blick in die Runde.
    »Mannomann, die hat wirklich die Bude auf den Kopf gestellt, was?«
    »Mhm.« Ich lächle. »Suze. Jetzt sag schon – was ist los? So habe ich dich noch nie erlebt.«
    Sie beugt sich vor, reißt ein Blatt von der Küchenrolle ab und schnäuzt sich.
    »Ich glaube, Jez will Henry ins Internat stecken.«
    »Was?«
    »Ja. Und Otto und Peter dann wahrscheinlich auch.«
    »Das ist doch verrückt. Hat er dir das gesagt?«
    »Nein. Aber nächste Woche trifft er sich im Club seines Vaters mit dem Direktor seiner alten Schule, und gestern hat er gesagt, dass Henry nicht mehr lange auf der Grundschule von Alexandra Palace bleiben wird.«
    »Das ist doch absurd. Diese Schule klang schrecklich. Die verbiegt die Jungs doch zu verklemmten …«
    Die Worte bleiben mir im Hals stecken.
    »Typen wie Jez?«, fragt Suzy.
    »Nein. Tut mir leid«, sage ich. »Aber dass er die Jungs ins Internat schicken
will
, heißt noch lange nicht, dass er es
kann
. Es sind auch deine Kinder.«
    »Bist du schon mal Jez’ Vater begegnet?«, fragt Suzy verzagt. »Ich glaube, der hat die Finger im Spiel. Wahrscheinlich hat er Jez angeboten, die Schulgebühren zu bezahlen. Jez tut immer so, als hielte er ihn für einen alten Trottel, aber sein Vater hat immer noch einen starken Einfluss auf ihn. Er hat Jez nie verziehen, dass er mich geheiratet hat. Manchmal glaube ich, Jez hat mich nur geheiratet, um ihn zu ärgern.«
    Ich starre sie an. So hat Suzy mit mir noch nie über Jez gesprochen. Sie schien immer blind für seine Fehler zu sein und hat mir bis zum Erbrechen von ihrer phantastischen Beziehung vorgeschwärmt, dass ich kleine Nadelstiche von Eifersucht empfand und mich dafür hasste.
    Schniefend lehnt sie sich zurück und starrt mich aus ihren unglaublichen Jadeaugen so eindringlich an, dass ich mich am Wasserkocher zu schaffen mache, um mich ihrem Blick zu entziehen.
    »Ich habe einfach das Gefühl, ich verliere einen nach dem anderen …«
    »Aber … das stimmt doch gar nicht.« Verwirrt ringe ich um Worte.
    Sie schüttelt den Kopf. »Ach je. Ich muss mit dem Gejammer aufhören.«
    Ich denke an meine eigene Rolle in diesem Drama, an den Schmerz, den ich ihr womöglich zugefügt habe, und bekomme Schuldgefühle. Ich muss unbedingt erfahren, wie viel sie weiß.
    »Suze …« Ich ergreife ihre Hand. »Hat das Ganze auch mit mir zu tun?«
    »Wie denn?«
    Ich zögere. »Ich weiß auch nicht.«
    Sie schweigt.
    Ich wage einen weiteren Vorstoß. »Nun ja … weil ich mich in letzter Zeit ein bisschen zurückgezogen habe.«
    Sie blickt zu Boden.
    »Weißt du, Suze«, taste ich mich vor, »mir ist zu Hause wirklich die Decke auf den Kopf gefallen, und …« Ich schaue ihr ins Gesicht. Nein. Das ist nicht fair. Das ist nicht die Wahrheit.
    Sie hebt neugierig den Kopf. Unsere Blicke begegnen sich. Ich muss aufpassen, sonst merkt sie mir an, dass ich lüge wie gedruckt.
    Die Tür geht auf, und Rae humpelt herein.
    Suzy täuscht gleich wieder Munterkeit vor. »Hallo, Rae«, sagt sie. »Ich hab noch eine Überraschung für dich. Hannahs Mum hat dich und Henry morgen Nachmittag zu einer Eislaufparty am Alexandra Palace eingeladen.«
    »Wirklich?«, quiekt Rae und schnappt Suzy die Einladungskarte aus der Hand. »Au ja! Schlittschuhlaufen ist ja sooo toll!«
    Ich sehe Suzy fragend an. Was ist denn in sie gefahren?
    »Rae«, beginne ich vorsichtig, »Schatz, es tut mir leid, aber ich glaube nicht, dass du dafür schon fit genug bist. Der Arzt hat gesagt, du sollst dich mindestens bis Montag schonen.«
    »Mummy! Das hast
du
gesagt, nicht der Arzt. Der hat gesagt, es geht mir prima.«
    Ich starre sie sprachlos an, beim Lügen ertappt.
    »Bitte, Mummy!«, winselt sie. »Bitte, bitte, bitte.«
    Suzy sieht mich nicht an. Innerlich stöhne ich auf. Sie hat mich in eine unmögliche Lage gebracht. Sie hätte mich erst fragen

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