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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne LaBastille
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die Pfoten hebend, tanzt er zur Hütte zurück. Meist bringt er mir die Post direkt zum Schreibtisch, wo ich mit einem Hundekeks auf ihn warte. Gelegentlich, wenn er unterwegs ein Eichhörnchen sieht, läßt er den Sack aber auch fallen und hetzt hinterdrein. Einmal hat er ihn sogar im Wald vergraben (mit zwei Schecks im Gesamtwert von fünfundsiebzig Dollar). Jetzt behalte ich ihn, wenn die Post kommt, genauer im Auge.
    Im Herbst hilft mir Pitzi Brennholz zum Schuppen tragen. Kleine Äste, die zum Anzünden dienen, schleppt er im Maul und wartet am Holzstapel auf einen Keks, bis ich herantrotte, den Tragegurt voller Scheite. Mit zwei Hundesatteltaschen hilft er mir auch in der Zeit, wo der See gerade zufriert und auftaut, Vorräte am See entlang durch den Wald zu befördern.
    Im See selbst hat Pitzi sich ebenfalls etwas Nützliches angewöhnt. Jedesmal wenn ich schwimmen ging, lockte ich ihn ins Wasser. Bald sprang er mit gekonntem Bauchklatscher vom Anleger und paddelte zu mir heraus. Nach einer kompletten Umkreisung, mit Bellen und kleiner Balgerei, schwamm er zum Anleger zurück. Und ich schnappte seinen Schwanz und ließ mich heimschleppen. Dies ist zum Ritual geworden, kann aber eines Tages mein Leben retten.
    Pitzi liebt Boote. Fürs Leben gern fährt er Motorboot, mit windgestrecktem Schlappohr. Auch den Balanceakt in meinem Segelboot vollführt er nicht ungern, geduckt unter dem hin- und herschwingenden Baum, und achtet darauf, daß er sich nicht in die Leinen verwickelt. Wenn wir kentern, schwimmt er allerdings mit eigener Kraft zum Ufer zurück. Am liebsten hat mein Hund das Kanufahren. Ich setze ihn in die Bootsmitte direkt hinter den Bugsitz. Seine fünfundvierzig Kilo helfen das Kanu in Wind und Wellen stabilisieren, wenn ich paddle. Noch nie hat Pitzi das Kanu zum Kentern gebracht, auch nicht, wenn wir an Biberburgen und Bibern vorbeifahren, obwohl er dann von Kopf bis Fuß zittert.
    Auch das Schneemobil liebt er. Mehrere Winter hatte ich, auf Schneeschuhen über den gefrorenen See marschierend, versucht, Pitzi zum Schlittenhund abzurichten, doch es war vergeblich. Er setzte sich oft hin und zitterte vor Kälte. Schließlich schaffte ich ein Schneemobil an. Rasch lernte Pitzi, sich flach auf dem Sitz auszustrecken, Schwanz hinten herunterhängend, die Nase fast im Vergaser. Ich stand grätschbeinig über ihm, mit den Füßen auf den Trittbrettern und mit den Händen an der Lenkstange. Wenn er nicht mit dem Schneemobil fährt, beißt er gern in die Vorderskier.
    Dies Fasziniertsein von Dingen, die sich bewegen, erstreckt sich auf sämtliche Verkehrsmittel. Pitzi knabbert an Schneeschuhen und Skispitzen, am Bug meines Segelboots, Motorboots und Kanus, sogar an Autoreifen. In einem Sommer hatte ich einmal an einem Wochenende einen jungen Professor in die Hütte eingeladen. Pitzi begrüßte ihn, indem er den rechten Vorderreifen seines Sportwagens durchbiß. Mein Freund war hochintellektuell, aber kein guter Handwerker. Er hatte weder Werkzeug noch Reserverad. Fünfzig Dollar mußte er schließlich ausgeben für einen neuen Reifen und einen Mechaniker, der achtzig Kilometer weit herfahren mußte, um den Reifen wechseln zu helfen.
    Solche Vorfälle sind freilich selten. In fast jeder Hinsicht ist Pitzi sonst ein hervorragender Gefährte und Beschützer. Der Ton seines Bellens informiert mich genau, wer vorbeikommt, sei es Postboot oder Kanu, Wanderer, Rothörnchen, Hirsch oder Kaninchen. Eines Herbstnachmittags kam wieder sein Bellen aus dem Wald, aber mit einer neuen Note, wie rasend. Zuerst dachte ich, er hätte ein Eichhörnchen in die Enge getrieben und verbelle es. Aber das Gebell nahm kein Ende und hatte einen warnenden Unterton. Ohne sonderliche Eile ging ich in meinen Tannenwald, um nachzuschauen. Dort saß auf einer großen Hemlocktanne ein junger Bär und war im Begriff, herabzuklettern; unten sprang ihm der Hund entgegen. Pitzi hatte einen Bären gestellt — ein prekäres Patt. Wenn der Bär herunterkam, war Pitzis Leben in ernster Gefahr. Ein Prankenhieb an die richtige Stelle konnte ihn sofort töten.

    Ich erkannte den Bären als ein zweijähriges Männchen, das in diesem Sommer schon mehrfach an unserem See gesichtet worden war. Vom Grill eines Nachbarn hatte er Hamburger stibitzt, an Häusern Mülltonnen umgeworfen. Dieser Bär war an Menschen und an menschliche Futterquellen gewöhnt. In drei Wochen sollte die Jagdsaison beginnen, und zweifellos würde eine solche halbzahme Kreatur dem

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