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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne LaBastille
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Wochenendbetrieb zurück zu sein.
    Unser Startpunkt lag am oberen Ende des Sumpfes. Auf einer topografischen Karte planten wir unsere Route. Zuerst ging es fünf Kilometer am Catamount Creek entlang, dann über eine ausgedehnte Biberwiese, durch einen engen Einschnitt zwischen dem Jagged Mountain und einem namenlosen Berg und schließlich noch anderthalb Kilometer durch den Wald bis zum Ufer des Terror Lake. Es sah einfach aus. Wir planten, bei Dunkelheit dort zu sein und an dem Engpaß zu kampieren.
    Zunächst kamen wir gut voran. Dann aber stießen wir auf Feuchtniederungen, wo Balsamtannen- und Fichtendickichte uns stachlige Barrieren in den Weg legten. Unter unseren Packen schwitzend, blieben wir an einem Bächlein stehen, um zu trinken und einen Schoko-Riegel zu essen. Dessen Verpackung ließ ich, als ich mich zum Wasserschöpfen vorbeugte, aus Versehen fallen, ohne es zu merken. Nach zweistündigem Kampf durchs Tannengestrüpp beschlossen Betsy und ich, einen Umweg zu machen und direkt über den Jagged Mountain zu steigen. Zu unserer Bestürzung hatte hier der Sturm ganz besonders schlimm gewütet. Immerfort mußten wir riesige gefallene Stämme und tote Kronen überklettern oder unter ihnen durchkriechen, mußten wir springen und balancieren. Ein Gewitterschauer, der spätnachmittags auf uns herabprasselte, machte die Sache nicht leichter. Als wir uns der Berghöhe näherten, versperrte uns zu unserer Überraschung ein von Bibern neugeschaffener Sumpf den Weg. Die Dämmerung brach herein, und so gingen wir in unserer Spur zurück, um ein offenes und ebenes Stück Erde als Lagerplatz zu finden. Nichts.
    Nach zwanzig Minuten mühsamer Sucherei entschieden wir uns verzweifelt für einen abfallenden Felssims, der etwa 1,80 Meter breit und 2,10 Meter lang war und auf dem triefnasses Moos wuchs. Auf allen Seiten waren wir von gestürzten Bäumen eingekeilt. Der einzige Vorteil bestand darin, daß unser Feuer sich nicht in den Waldboden fressen konnte. Schlimmer als auf Stein zu nächtigen konnte nur noch sein, hier von einem Waldbrand überrascht zu werden.
    Betsy und ich verbrachten einen Abend zum Heulen. Fünfundvierzig Minuten brauchten wir, bis das Feuer endlich brannte, und dann sengten wir Löcher in unsere Socken, die wir zum Trocknen zu nahe an den Flammen aufgehängt hatten. Keine Süßwasserquelle weit und breit, nur saures Sumpfwasser. Kein Platz, ein Zelt aufzubauen; wir legten unsere Schlafsäcke auf einen Poncho und hofften, es würde aufhören zu regnen. Schräger, knochenharter Felsuntergrund ist keine gute Grundlage für einen gesegneten Schlummer. Und nasse Stiefel über halbverbrannte Socken zu ziehen, ist keine glückliche Art, den Tag anzufangen. Der Sumpf ließ uns nicht weiter. Nach zweistündigem Ringen, ihn zu überschreiten, gaben wir auf. Die Hälfte unseres Weges hatten wir zurückgelegt. Am nächsten Abend warteten unsere Hotelpflichten auf uns, also machten wir kehrt und marschierten zum Lake Serene zurück. Der Terror Lake mußte warten — ein anderes Mal vielleicht.
    Uns durch die Windbrüche zurückkämpfend, verloren Betsy und ich uns oft völlig aus den Augen, obwohl wir nur wenige Meter voneinander entfernt waren. Wo die alten Bäume auf dem Boden lagen, wucherte dichtes, fast undurchdringliches junges Fichtengestrüpp. In diesem Irrgarten verloren wir die Orientierung. Als wir am Fuß des Berges ins Freie traten, hatten wir uns gründlich verlaufen. Zu unserer Konfusion trug bei, daß der Himmel mit einem einheitlichen Grau bezogen war und keine Richtungspeilung zuließ.
    Zum erstenmal in meinem Leben ergriff mich hirnlose Panik. Am liebsten wäre ich blind losgerannt, so lange, bis ich irgendeinen vertrauten Punkt wiedererkannt hätte. Nur meine nassen Lederstiefel, die sich an Fußblasen rieben, und meine Freundin Betsy hielten mich zurück. Sie packte mich am Arm.
    »Bloß nicht durchdrehen«, stammelte sie. »Wir müssen einem Bach folgen. Man muß immer Wasser folgen, das bergab läuft«, rezitierte sie monoton, wie auswendig gelernt.
    »Aber hier ist kein Bach«, protestierte ich. »Nur diese verdammten Tannenwälder.«
    »Dann nehmen wir unsere Kompasse und gehen in Quadraten. Wenn wir an jeder Ecke einen Neunzig-Grad-Schwenk machen und die Augen offenhalten, müssen wir Wasser finden.«
    Wir begannen, durch dichtes Gehölz zu brechen, wobei sich unsere Rucksäcke immer wieder in Ästen verhakten. Bald merkten wir, daß wir mehr und mehr im Kreis liefen. Die Balsamtannen

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