Allein in der Wildnis
der die Auswirkung von Pestiziden auf Vögel untersuchte, kam mit seinem Fernglas einen Frühlingstag lang herauf und hinterließ mir eine Liste mit dreiundfünfzig auf meinem Land gesichteten Spezies.
Eine Computeranalytikerin verbrachte zehn Ferientage bei mir. Im Gepäck hatte sie zwei Dutzend Kriminalromane. Jeden Tag las sie einen und bereicherte, als sie abreiste, meine Bibliothek.
Ein älterer Pilot, den ich auf einer Reise kennengelernt hatte, erschien zu einer Wochenend-Stippvisite mit einem riesigen Werkzeugkasten. »Sie haben doch hier sicher ein paar Reparaturen, die erledigt werden müssen«, erklärte er. »Das heißt, wenn Sie nichts dagegen haben.« Ich hatte nichts dagegen. Glücklich, herumwerkeln zu dürfen, führte er diverse Reparaturen aus, die ich selber nicht hätte bewältigen können oder für die mir das Spezialwerkzeug gefehlt hatte.
Ein Weichtier-Spezialist kam auf dem Weg zu einer Tagung vorbei. Den ganzen Nachmittag verbrachte er damit, mit Eimer und Netz im See herumzuwaten. Er sammelte Schnecken und Mollusken, vermehrte meine Kenntnisse über Weich- und Schalentiere im Black Bear Lake und hinterließ mir den größten Teil einer Flasche Scotch.
Drei verschiedene Fotografen haben in der Gegend gearbeitet und sind zum Kaffee oder zum Abendessen bei mir gewesen. Freimütig fachsimpelten sie und zeigten mir ihre neueste Ausrüstung. Ich guckte ihnen diverse Techniken ab, vom Fotografieren eines Winterzaunkönigs bis zu Zeitaufnahmen meiner Hütte im fallenden Schnee.
Mein ungewöhnlichster Gast dieser Art war ein Meeresbiologe und Tiefseetaucher von den Jungfraueninseln, wo ich an einer Wildtierstudie mitgearbeitet hatte. Ungebändigt wie ein Marlin, übertraf er sich selbst, als er sich erbot, eine fast dreißig Meter hohe abgestorbene Tanne zu erklimmen und sie mit Axt und Motorsäge zu kappen, weil ich die Befürchtung geäußert hatte, die Krone könne abbrechen und auf meine Hütte stürzen. »Sie sind Taucher und kein Baumchirurg«, hielt ich ihm vor, um ihn von der gefährlichen Operation abzubringen. »Atemgeräte und Luftventile sind eines, Klettersporen und Motorsägen ein anderes.« Aber er setzte seinen Kopf durch und entledigte sich seiner Aufgabe mit der Courage eines frankokanadischen Holzfällers.
Es war wirklich herzerwärmend. Jeder, der zu Besuch kam, erbot sich, bei Reparaturen oder Erneuerungen zu helfen. Es war, als wollten sie mir die Ruhe, Schönheit und Wildheit meines Wohnsitzes entgelten. Sie handelten wie Pioniere, bereit und willens zu helfen. Irgendwie brachte mein kleines Heim bei Besuchern die besten Instinkte ans Licht. Oder die schlechtesten!
Was man tun soll, um einen Menschen gründlich kennenzulernen — darüber gibt es viele alte Sprüche. »Mach ihn betrunken«. »Spiele mit ihm achtzehn Löcher Golf«. »Fahr mit ihm drei Tage in einem kleinen Boot«. »Achte darauf, wie er einen Hund behandelt«. Und so fort. Ich möchte aus eigener Erfahrung hinzufügen: Lade ihn zu einem Wochenende in eine Blockhütte im Wald ein. Dann tritt unweigerlich die wahre Persönlichkeit zutage. Bekannte, mit denen ich hier und im Ausland arbeitete, Kollegen, die ich auf Tagungen kennenlernte, Freunde aus der Stadt — wenn sie am Black Bear Lake sind, beginnt sich ihre künstliche äußere Schale ausnahmslos zu lockern. Ihr Charakter wandelt sich. Sie entkrampfen sich. Binnen vierundzwanzig Stunden kann ich meistens ihre Hauptwesenszüge erkennen und sie als »Gute« oder »Ungute« einstufen.
Sind sie anpassungsfähig, hilfsbereit, tierlieb? Haben sie Humor und Naturliebe? Oder sind sie unflexibel, egozentrisch, verkrampft? Haben Sie Angst vor Pitzi, und sind sie unempfänglich für die Umgebung? Es macht nichts, wenn der (im Sinne des Hüttenlebens) »Gute« das Toilettenhäuschen skeptisch beäugt, ohne Telefonklingeln und TV-Geplärr nervös wird oder im Wald die Orientierung verliert. Hauptsache, er hilft mal freiwillig beim Wasser- und Holztragen, vertäut das Boot oder startet das Schneemobil, nimmt sich Zeit, Wildblumen zu bewundern, und weiß mit den Schönheiten der Umgebung etwas anzufangen.
Meine Hausregeln in der Hütte sind einfach und logisch. Rauchen ist in der Hütte verboten. Es ist wegen der Feuersgefahr zu riskant. Die Besucher müssen aufpassen, daß sie sich an meiner nur 1,63 Meter hohen Eingangstür (gerade meine Höhe) nicht den Kopf stoßen. Niemand benutzt die Motorsäge, nur ich und ein paar Eingeweihte. Es ist zu weit, um
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