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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne LaBastille
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Schädelbrüche und aufgeschnittene Hände in die Klinik zu fahren. Hausgäste sollten Camp-Kaffee, Biberbraten, Champagner und Wildbretsteaks mögen. Und nachts sollten meine Freunde darauf gefaßt sein, daß mal ein Weißfußmäuschen durchs Zimmer huscht und draußen ein Kauz schreit; zudem sollten sie schlafen wie ein Murmeltier im Dezember.

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Besucher aus dem Tierreich

    In meinen ersten Sommern am Black Bear Lake bekam ich öfter freiwilligen Besuch von Wildtieren. Sie mußten bald feststellen, daß es bei mir — abgesehen von ein bißchen Vogelfutter — keine Gratisfütterung und kein Gratisasyl gab. Obschon ich alle wilden Kreaturen liebe, möchte ich nicht, daß sie von mir abhängig werden. Das würde ihre Überlebensfähigkeit untergraben und die ökologischen Gleichgewichte durcheinanderbringen, die sich im Lauf der Zeit in der Naturwelt eingespielt haben. Mein Grundsatz war und ist daher: Leben und leben lassen. Ich habe, um zu überleben, an meinem Schreibtisch und in meinem kleinen Heim meine Arbeit zu tun — und sie die ihre.
    Dennoch gibt es zwischen mir und der örtlichen Wildfauna ein vielfältiges Beziehungsgeflecht. Wilde Tiere werden ebenso hochgeschätzt wie meine menschlichen Freunde. Sie scheinen zu spüren, daß sie auf meinem Land sicher sind und daß das menschliche Reviertier, das hier haust, ihnen nichts tut. Umgekehrt weiß ich, daß sie mir nichts tun. In zehn Jahren Tuchfühlung mit der Wildnis ist es nicht ein einziges Mal vorgekommen, daß ein Wildtier mich bedrohte. Statt dessen habe ich überall im Umkreis meiner Hütte zutrauliches, unbefangenes Tierleben vorgefunden, und manchmal auch in der Hütte.
    Eines Abends ließ ich unvorsichtigerweise eine heiße Apfeltorte zum Abkühlen am Fenster stehen, ehe ich wegging. Eine Waschbärenmutter und drei Junge drückten das Fliegengitter nach innen und kletterten auf meinen Küchentisch. Sie hatten die Torte gerochen und waren neugierig gewesen. Fünf Stunden hatten sie »sturmfreie Bude« gehabt und waren noch dabei, sie gründlich auf den Kopf zu stellen, als ich gegen Mitternacht nach Hause kam. Sie hörten nichts, bis ich die Tür aufschloß und mit der Taschenlampe in vier glitzernde schwarze Augenpaare und vier Clownsmasken leuchtete. Einen Augenblick absolute Starre, dann Panik. In vier Richtungen spritzten die Waschbären auseinander. Da ich die Tür blockierte, mußten sie das Fenster suchen, durch das sie hereingekommen waren. Ein Junges krabbelte auf den Ofen, ein anderes fiel in die Spüle. Die Mutter sprang auf den Kühlschrank und ließ ihr Kleinstes auf dem Küchentisch zurück, der mit Zucker bestreut war. Das pelzige Baby rutschte darauf prompt aus und fiel hin, alle Viere von sich gestreckt, ein Bild stummen Jammers.
    Ich schnappte nach Luft. Unglaublich, wie die Hütte zugerichtet war. Zuerst hatten die Waschbären alle Äpfel aus der Torte geklaubt und gefressen. Dann hatten sie einen Kanister Mehl umgestoßen, der auf den Boden fiel. Er war aufgeplatzt, und sie waren durch das Mehl hin und her paradiert und hatten kleine weiße Fußabdrücke auf den Möbeln hinterlassen. Eines der Jungen hatte den Honigtopf entdeckt. Offenbar hatte das Waschbärchen nach Kräften versucht, ihn aufzuschrauben, hatte dabei das halbe Etikett abgekratzt und den Topf dann unverrichteter Dinge am Ofen stehenlassen. Mehr Glück hatte es mit einem Topf Mango-Marmelade gehabt. Was es nicht vertilgte, war auf die Navajo-Teppiche verschmiert worden, neben die weißen Fußspuren. Mango-Marmelade auf Navajo-Teppichen! Welch eine Kombination! Ein ähnliches Schicksal hatte die Ketchup-Flasche ereilt; ihr Inhalt zierte den Küchenfußboden. Meine knallrot, blau und gelb emaillierten Kaffeetassen schwammen in Ketchup, während ihre grünen, orangenen und purpurnen Genossen ruhig an ihren Haken hingen. Ein Vorhang baumelte schief und war offensichtlich als Waschbärenschaukel benutzt worden. Der Inhalt der Zuckerdose war über den Küchentisch verstreut. Auf dem roten Wachstuch sah der Zucker wie Rauhreif aus.
    Plötzlich fand ich die Situation überwältigend komisch. Laut lachend ergriff ich einen Besen und begann die Waschbären aus der Tür zu kehren. Sie wetzten in den Wald und kletterten geräuschvoll auf die nächsten Balsamtannen. Dort, fünf Meter über meinem Kopf, drapierten sie sich über Zweige und sahen mit vorwurfsvollen Augen auf mich herunter.
    »Warum mußtest du diese herrliche Party vermasseln!« schienen

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