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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne LaBastille
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dieser emsige Vogel kehrte ausgerechnet immer im Frühling zu meinen Hüttenpfosten zurück, klopfte und bohrte daran herum und benahm sich so ungeniert, als gehöre ihm das Haus.
    Zu den Alltagslauten meiner Umgebung gehört auch ein hohes »Kii-kii-kii«. Es ist so vertraut wie das spukhafte Pfeifen der Dachsammer. Oft faulenze ich an Sommernachmittagen in meiner Hängematte und beobachte den Breitflügelbussard, wie er über meiner Hütte kreist. Auf den Hitzewellen und Thermalwinden dringt zitternd sein »Kii« zur Erde herab und erreicht das Ohr der huschenden Maus.
    Ich bildete mir ein, alle Tiere, die in den Adirondacks heimisch waren, und alle, die den Black Bear Lake besuchten, zu kennen. Und doch wußte ich nicht, daß eines der kleinsten Säugetiere der Welt in meiner Nachbarschaft wohnte: die Zwergspitzmaus. Eines Tages kam Earl vorbei, ein tüchtiger Zoologe von einer nahegelegenen Universität, und stellte in meinem Wald Kleinsäugerfallen auf. Ein paar Stunden später ging er sie kontrollieren und kam triumphierend zur Hütte zurückgelaufen. In meine Hand legte er ein winziges weiches, graues Etwas.
    »Diese Spitzmäuse sind in Sammlungen sehr selten, und über ihre Lebensgeschichte ist ziemlich wenig bekannt«, strahlte er. »Ich häute sie ab und mache sie zum Studienstück für das Universitätsmuseum!«
    Es machte mich traurig, daß das kurze wilde Leben der Maus durch Forscherwißbegierde ausgelöscht worden war, auch wenn es sich um ein »Studienstück« handelte. Eine Zeitlang hielt ich sie in der Hand. Ihr Köpfchen war knapp so groß wie mein kleiner Fingernagel. Die ganze Kreatur wog ungefähr sieben Gramm. Dennoch konnte es diese insektenfressende Mini-Maus, proportional gesehen, an Wildheit mit jedem bengalischen Tiger und mit jedem Kaffernbüffel aufnehmen, versicherte mir Earl. Sie greift kleine Käfer, Regenwürmer, Raupen und Grashüpfer an und verzehrt jeden Tag große Nahrungsmengen.
    Nachdem Earl abgereist war, merkte ich, daß ich nachts manchmal auf das hauchfeine Rascheln der Zwergspitzmaus lauschte und daß ich tagsüber manchmal nach ihren Miniatur-Tunneln Ausschau hielt, in die kaum ein Bleistift hineinpaßt.
    Unten am Bootsanleger fand ich Freunde anderen Schlages. Von Zeit zu Zeit, wenn ich mich spätnachmittags sonnte, sprang ein naseweiser schlanker Nerz am Ufer mit fließenden Bewegungen von Stein zu Stein und suchte Krebse. Ich bewunderte seinen geschmeidigen Körper und seine Dreistigkeit, die ein paar Tage später zutage trat. Ich hatte nämlich Welse geangelt und am Ende des Anlegers eine Schnur mit acht Fischen ins Wasser gehängt. Dann ging ich zur Feuerstelle und freute mich in Gedanken schon auf in Butter gebratenen frischen Wels. Als das Feuer die richtige Glut hatte, eilte ich zur Lände zurück, um die Fische abzuhäuten und auszunehmen. Merkwürdig leicht fühlte sich die Schnur an, als ich sie aus dem See zog. Kein Wunder. Nur noch Köpfe und Gräten hingen daran. Daß es im Black Bear Lake keine Piranhas gibt, wußte ich; also konnte es nur ein einziges Tier gewesen sein, mein vielbewunderter Nerz.
    Am nächsten Tag sah ich ihn, oder genauer gesagt, sie mit zwei Jungen an den Steinen entlangschleichen und den Anleger und meine Fischstange beäugen. Diesmal scheuchte ich sie mit einem Händeklatschen weg.
    Nachdem ich mit dem Sporttauchen (mit Atemgerät) angefangen hatte, begann ich mich für die einheimische Fischwelt ebenso zu interessieren wie für Vögel und Säugetiere. Allerdings sind die Seen der Adirondacks dunkel und kalt, verglichen mit der Wärme und blaugrünen Transparenz der Karibik, wo ich das Tauchen gelernt hatte. Hier oben bei uns liegt die Temperatursprungschicht auch im Sommer nur ein bis zwei Meter unter der Wasseroberfläche. Wenn man diese Schicht durchdringt, fällt die Temperatur stark ab. Kein Wunder, daß ertrunkene Menschen und Pferde, die tage- und wochenlang am Seeboden gelegen haben, manchmal kaum Verwesungszeichen zeigen, wenn man sie heraufholt.
    Bei meinen Fischbeobachtungen habe ich mich meistens in der warmen, sauerstoffreichen Oberflächenschicht aufgehalten. Hier sah ich Forellen unter der quecksilbernen Oberfläche lauern, die lidlosen Augen starr nach oben gerichtet, nach Insekten spähend. Ich sah Katzenwelse wie kleine, dunkle Staubsauger über den steinigen Grund streifen, Krebse über sonnige seichte Stellen krabbeln und Muscheln in stillen Buchten leise Wasser fächeln.
    Aufgefallen ist mir beim Tauchen im Lauf

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