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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne LaBastille
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sie zu sagen.
    Nach dieser Invasion achtete ich doppelt darauf, nichts Eßbares offen in der Küche liegen zu lassen und nicht das kleinste Bröckchen Abfall auf meinem Land zu verstreuen.
    Dennoch kam es durch meine Unvorsichtigkeit fünf Jahre später wieder zu einer hautnahen Begegnung mit einem Waschbären. Zu dieser Zeit hatte ich schon meinen Hund Pitzi. Nach einem anstrengenden Tag, den ich mit dem Fällen und Spalten von Holz verbracht hatte, beschloß ich, vor dem Zubettgehen ein heißes Bad zu nehmen — immer ein Hochgenuß hier draußen in meiner Klause. Es war schon längst dunkel, als ich die Flamme des Heißwassergeräts entzündete und die Wanne vollaufen ließ. Pitzi war mir ins Souterrain gefolgt und schnüffelte auffällig in einer Ecke herum, wo alte Kisten, leere Kanister und ein Fünfzigpfundsack Hundefutter aufgestapelt waren. Vielleicht eine Maus, dachte ich. Ich zog die Jeans aus und setzte mich vorsichtig in das dampfende Wasser, für nichts mehr empfänglich als für die herrliche Hitze, die in meine schmerzenden Muskeln drang.
    Urplötzlich schoß Pitzi in die Ecke, Kisten und Kanister umwerfend und den Sack beiseitestoßend. Aus einem großen Loch rieselte eine Kaskade von Hundekuchen. Dann sprang er zurück, ein grauhaariges Tier im Maul. Ein junger Waschbär! Die Beine anziehend und den Rand der Wanne mit den Händen fassend, rief ich den Hund. Pitzi hörte nicht und schleuderte den Waschbären in die Luft. Da wurde mir klar, daß der Waschbär in der Ecke versteckt gesessen und Hundefutter aus dem Sack stibitzt hatte. Pitzi verteidigte nur sein Heim und seine Speisekammer. Er warf das verängstigte Tierchen noch einmal geschickt hoch, und es landete platschend in der Wanne! Verdattert sprang ich auf, splitternackt, und kletterte aus dem Bad. Während der kleine Waschbär unglücklich im heißen, seifigen Wasser herumpaddelte, standen Pitzi und ich aufgeregt am Wannenrand und fragten uns, was tun. Dann schnappte mein Hund beherzt ins Wasser, packte das Tierchen am Nackenpelz und schleuderte es zurück auf den Souterrainboden. Weitere Manipulationen durch den großen Schäferhund, fürchtete ich, würde der Waschbär nicht überleben; daher hielt ich Pitzi am Halsband fest, machte die Tür auf und schob den Waschbären mit dem Fuß nach draußen. Klatschnaß, aber offenbar unverletzt, entkam er in den Wald.
    Auch andere interessante Tiere fühlten sich bei mir zu Hause. Eines Nachts lag ich wach und horchte auf Streifenkäuze, die jenseits des Sees riefen. Plötzlich kam auch direkt aus meiner Nähe, aus meinem Balsamtannenwäldchen, das tiefe »Auuuuuu — auu — auhhhhhh«. Ich drehte mich im Bett auf den Bauch, schob mich nahe an das Fliegengitter und antwortete, den Vogel imitierend, so gut ich konnte. Postwendend reagierte das Käuzchen. Sein Ruf endete in einem kehligen Kichern. Ich lächelte, ließ etwas Speichel in meine Kehle rinnen und auuuuuute wieder, mit tiefem Gurgeln endend. Der Vogel kam näher an mein Schlafzimmer und rief erneut. Ein herrlicher Dialog, eine Nachtkonversation entspann sich, wobei nur sechs Meter Entfernung, ein Fliegengitter und eine Balsamtanne zwischen uns lagen. Ich konnte mir vorstellen, welches Gesicht einige meiner Freunde geschnitten hätten, hätten sie mich sehen können, wie ich schwitzend dalag und angestrengt Käuzchenlaute produzierte.
    Irgend etwas in meiner Stimme muß dem Kauz dann verraten haben, daß er an der Nase herumgeführt wurde, denn die Rufe hörten plötzlich auf. Die Tanne erzitterte leicht, als hätte sich ein großer Vogel von ihren Zweigen erhoben. Nicht das leiseste Geräusch, aber die Eule war fort. Ich fühlte sie fortfliegen, ebenso sicher, als ob ich sie gesehen hätte. Die Nacht schien danach leer, und es dauerte lange, bis ich einschlief.
    Oft schreckte mich morgens ein »Tap-tap-tap« aus dem Schlaf. War jemand an der Tür? Anfangs, als Pitzi noch nicht im Haus war, hatte ich kein Frühwarnsystem. Das erste Mal, als ich das Pochen hörte, sprang ich aus dem Bett und eilte im Nachthemd hinunter zur Hintertür. Niemand da.
    »Tap-tap-tap.«
    Am Verandapfosten suchte ein fremdartig aussehender Specht, ungefähr so groß wie ein Haarspecht, mit starken Schnabelhieben nach Borkenkäfern. An seinem schwarzen Rücken, seinen schwarz-weißen Seitenstreifen und seinem gelben Häubchen erkannte ich ihn als ein Schwarzrückenspecht-Männchen. Diese Spezies ist normalerweise nur im Winter in den Adirondacks zu sehen; doch

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