Allein in der Wildnis
der Jahre, daß die Fischpopulationen zurückzugehen scheinen. Und Rob und andere Fischer erzählen mir, daß sie qualitativ und quantitativ weniger fangen. Hauptschuldiger, allem Anschein nach: der saure Niederschlag. Sauer gemacht wird er durch Schwefel- und Stickstoffdioxid in der Atmosphäre. Zum Teil stammen diese chemischen Verbindungen aus den gigantischen Industriekomplexen von Gary, Chicago und Detroit, zum Teil aus den Schloten städtischer Kraftwerke und den Auspuffrohren der Autos. All diese Abgase werden durch die vorherrschenden Westwinde nach Osten getragen.
Die Adirondacks (und andere nordöstliche Gebirge) haben besonders stark unter dem sauren Regen zu leiden. Hier entstehen Wolken und regnen ab, weshalb die Niederschlagsmengen überdurchschnittlich hoch sind. Hinzu kommt, daß es den Seen der Adirondacks an säureneutralisierenden Eigenschaften fehlt und sie daher vom sauren Regen stärker betroffen werden.
Unsere subjektiven Beobachtungen sind mittlerweile durch Studien der Cornell University wissenschaftlich erhärtet worden. Die Fischbestände im Staat New York sind tatsächlich zurückgegangen, auch und gerade in den Adirondacks. Die Gesamtverluste für die Fischereiwirtschaft belaufen sich auf Millionen Dollar, und das wird wahrscheinlich immer schlimmer werden, solange die Luftverschmutzung in Kanada und in den USA nicht eingedämmt wird.
Ich freue mich heutzutage über jeden Saibling, den Rob und ich auf unseren stillen Angeltouren fangen, bin glücklich über jeden Katzenwels, der mir an den Haken geht. Und ich mache mir Sorgen. Wer füttert die Nerze und Ottern, die Möwen und Fischadler, die Waschbären und Reiher, wenn menschengemachter saurer Regen die Fische ausrottet? Wird der Mensch, der so stark ins Räderwerk der ökologischen Gleichgewichte eingreift, immer größere und größere Verantwortung für die geschädigten, bedrohten, abhängigen Kreaturen übernehmen?
Eines Nachmittags ging ich zum Biberteich, nur um zu schauen, welche Tiere gerade da waren. Manchmal ergaben sich die besten Begegnungen ganz zufällig, gerade dann, wenn man es nicht erwartete. Am Sonnenhang eines Hügels eine etwas andere Route als sonst wählend, entdeckte ich überrascht ein frisches Erdhäufchen, hinter dem ein Loch in die Tiefe führte. Birkhuhnfedern lagen über den Boden verstreut. In der Luft hing ein strenger Geruch. Sofort weckte dies die Erinnerung an Mapuche in mir. Kein Zweifel: Ich hatte den Bau eines Rotfuchses gefunden.
Kein Laut war zu hören. Und doch sah es, nach den Federn zu schließen, so aus, als säßen Junge im Bau, zu deren Fütterung die Altfüchse Nahrung herbrachten. Ich versteckte mich abwärts vom Bau hinter einem Schlingstrauch und wartete.
Nicht lange, und zwei winzige gespitzte Ohren tauchten über dem Erdhaufen auf. Dann folgten zwei neugierig glänzende Pünktchen, schließlich ein nasser Nasenfleck, gerahmt von kurzen Schnurrhaaren. Vorsichtig blickte der Welpe sich um und schnupperte mit seinen niedlich kleinen Nüstern. Dann sprang er voll ins Gesichtsfeld. Hinter ihm drängten drei weitere Welpen ins Freie und begannen in der Sonne herumzutollen. Noch nie hatte ich Wildtierjunge so unbefangen vor meinen Augen spielen sehen: Tauziehen, Federn jagen, Scheinkämpfe, Ohrenbeißereien. Fast war es eine Enttäuschung, als gemessenen Schrittes, streng dreinblickend, ein Prachtexemplar von Fuchsvater die Szene betrat, einen Schneeschuhhasen im Maul. Sein Schwanz, die Lunte, wirkte so leicht und luftig wie eine Federboa. Kastanienrot leuchtete sein Pelz in der Sonne. Die eleganten schwarzen Pfoten und die weiße Schwanzspitze vervollständigten den gepflegten Eindruck. Unablässig bewegten sich die Ohren, Nase und Augen wie Radarantennen; seinen Nachwuchs begrüßte er mit Zurückhaltung.
Nicht so die Jungen. Stürmisch stürzten sie auf den Vater zu und rempelten gegen seine adretten Beine. Einen Augenblick stand der Fuchs unschlüssig, wie in schweigendem Protest gegen seine ungebärdigen Rangen, dann lief er zum Erdhaufen und legte den Hasen ab. Sofort machten sich die Kleinen über das Fleisch her. Ihre kindlichen Bewegungen waren noch ungelenk, aber sie wußten ihre winzigen Zähne schon sehr gut zu gebrauchen. Der Fuchs ging ein paar Meter zur Seite, zufrieden, seine Jungen sicher und wohlversorgt zu sehen. Er legte sich in die Sonne und begann mit der Pelzpflege. Ich wagte mich nicht zu rühren, um diese außerordentliche Szene nicht zu stören.
Während ich
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