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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne LaBastille
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zuschaute, ließ ich die Augen über den Boden um den Fuchsbau schweifen. Neben Birkhuhnfedern und Hasenhaaren konnte ich zwischen dem Fuchskot auch die kleinen weißen Schädel von Mäusen erkennen. Kleinnager machen normalerweise den Hauptteil der Fuchsnahrung aus. Fuchspopulationen schwanken sogar oft in Relation zur Mauspopulation. In mäusereichen Jahren gedeihen auch die Füchse, seien es nun Rot-, Grau-, Prärie- oder Eisfüchse. Ihre Fruchtbarkeit ist hoch, und die meisten der Welpen überleben. In mäusearmen Jahren müssen sich die Füchse (und andere Räuber) auf andere Nahrungsquellen umstellen oder Hunger leiden und sterben.
    Beim Nachdenken über diese Naturzyklen hörte ich hinter mir ein leichtes Rascheln. Instinktiv wandte ich den Kopf und sah einen zweiten, kleineren Rotfuchs. Es war die Mutter. Kurz trafen sich unsere Augen. Aus den ihren leuchtete die gleiche gelbe Wildheit, wie ich sie auch bei Mapuche gekannt hatte. Erneut fühlte ich ob seines Verlustes einen kleinen Schmerz. Dann drehte sich die Füchsin um und schnürte davon.
    Das Familienidyll zerstob. Rasch scheuchte der Fuchs seine Kleinen in den Bau. Quiekend und übereinander stolpernd hasteten die Welpen in Sicherheit. Der Vater fletschte kurz, ein einziges Mal, sein weißes Gebiß, dann verschwand auch er. Ein paar Pelzflocken wehten über den Boden. Das war die einzige Bewegung weit und breit. Es herrschte wieder vollständige Stille.
    Ich seufzte und erhob mich. Die Schau war vorbei. Jetzt würde es Stunden dauern, bis die Familie wieder vereint war und sich sicher wähnte. Aber ich nahm mir vor, zurückzukommen, Fotos zu machen und zuzuschauen, wie die Kleinen aufwuchsen. Leise den Rückzug antretend, um die Füchsin nicht zu stören, die sicher in nächster Nähe versteckt war, stieß ich aus Versehen gegen einen Baum. Sofort kam ein Greifvögel von einem Ast auf mich herabgestoßen. Eine perlgraue Brust, ein schiefergrauer Rücken schossen an meinem Ohr vorbei. Ein Hühnerhabicht-Weibchen. Anders als die Füchsin, die ihre Jungen still und leise mit List verteidigte, ging diese gefiederte Bombe in direkter Attacke gegen Eindringlinge vor. Sie hatte sicher ein Nest und Küken in dem Baum, gegen den ich geprallt war.
    Zum Glück schützte meine Pelzmütze den Kopf, aber die fortwährenden Sturzflüge des Habichts waren doch entnervend. Ich nahm Reißaus und rannte in ein dichtes Tannengehölz, um meinen Angreifer loszuwerden. Meine Flucht führte mich dicht an den Westrand des Biberteiches, und ich beschloß, den Weiher ganz zu umrunden und nach neuen Bibern Ausschau zu halten. Der alte Damm sah vernachlässigt aus, und auf der Burg wuchs Gras, aber ein paar frischgeschälte weiße Stöcke trieben auf dem Wasser — ein gutes Zeichen. Tatsächlich fand ich am fernen Ende des Weihers, wo ein Bächlein in den See plätscherte, einen kurzen, schmalen neuen Damm. Dahinter war ein Stück Wald überschwemmt. Dies sah aus wie das Werk eines zweijährigen Pärchens, das von seiner Elternburg, irgendwo hinter den Hügeln, eingewandert war. Da sie den Biberteich bereits »eingedeicht« gefunden hatten und das meiste schmackhafte Holz am Ufer schon weggefressen war, hatten sich die Jungbiber den Seezufluß vorgenommen und ein Stückchen bachaufwärts einen geeigneten Platz gefunden. Hier schufen sie sich ihren eigenen Stausee und konnten nun am Ufer unberührte Gelbbirken, Erlen und Pappeln annagen. Ich wußte, daß dieses Pärchen diese Bäume rasch verbrauchen würde — als Schnellfrühstück, Burgpfosten, Dammholz und Winterproviant. Und dann mußte es seinen Aktionsradius erweitern.
    Was jetzt wie ein kümmerlich schwacher Damm aussah, würde mit der Zeit zu einem Riesenbau heranwachsen. Wenn die Biber ihn erhöhten und verlängerten, um den Wasserspiegel zu heben, würden sie auch Kanäle graben, Seitendämme anlegen und ihre Burg für die wachsende Familie aufstocken. Ich hatte gelesen, daß der längste je gefundene Biberkanal hier in den Adirondacks gelegen hatte und nicht weniger als hundertsiebenundneunzig Meter maß. Und den längsten Damm von rund sechshundert Metern hatte man irgendwo im Westen gefunden. Diese Jungbiber hatten gerade erst ihren Hausstand gegründet. Wer weiß? Wenn ich in achtzehn, zwanzig Jahren (so alt konnten sie durchaus werden) zum Biberteich zurückkehrte, würden sie vielleicht den Hoover-Damm und den Panamakanal der Biberwelt gebaut haben.
    Mich durch üppig grünendes Gras und Farnkraut kämpfend, das

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