Allein in der Wildnis
sinnloser Laut. Brian konnte noch immer nicht fassen, dass ein so großes Tier sich ihm nähern konnte, ohne dass er es merkte. Mit einem einzigen Prankenhieb hätte der Bär ihn vernichten können. Er hätte ihn töten und fressen können. Und Brian wäre machtlos gewesen.
Noch immer halb betäubt vor Schreck machte er sich klar, dass seine Beine wie von selbst losgerannt waren – fort von der Stelle, wo der Bär im Gestrüpp verschwunden war.
In seiner Panik wäre Brian bis zu seinem Lagerplatz gelaufen. Auf halbem Weg blieb er aber stehen und schaute zurück. Hätte der Bär ihn töten und fressen wollen, so sagte er sich, dann hätte er es getan. Es gab also keinen Grund, kopflos davonzulaufen. Der Bär war friedlich und er fraß Himbeeren, nicht Menschen. Er hatte Brian nicht angegriffen. Vielleicht war er selbst bei der Begegnung erschrocken: Er hatte sich aufgerichtet, um besser sehen zu können. Dann hatte er sich getrollt.
Das Tier blieb verschwunden. Brian stand da und drehte den Kopf nach den Himbeersträuchern. Die Vögel sangen und alles war friedlich. In der Stadt, dachte er, drohte immer irgendwo Gefahr. Wenn es dunkel wurde, durfte man nicht mehr im Park spazieren gehen, weil es zu gefährlich war. Hier aber, in der Wildnis, hatte der Bär ihn nur angesehen und war mit seinen rollenden Bewegungen weitergezogen. Wahrscheinlich hatte er es, genau wie Brian, nur auf die leckeren Himbeeren abgesehen.
Oh, und die schmeckten so gut. Sie waren süß und nahrhaft. Und Brian hatte schon wieder ein leeres Gefühl im Bauch. Ob er noch einmal zurückkehren durfte – zu den Himbeersträuchern? Bestimmt hatte der Bär nichts dagegen die Ernte mit ihm zu teilen. Dies hatte er deutlich gezeigt, als er sich friedlich trollte.
Nur keine Angst!, ermahnte sich Brian. Wenn er es jetzt nicht wagte, zu den Himbeeren zurückzukehren, musste er sich am Abend wieder mit den Bauchweh-Kirschen begnügen. Das überzeugte ihn endgültig und er wanderte langsam zurück zur Lichtung, am Ufer entlang und in respektvollem Abstand zum Saum des Waldes. Dann aber schwelgte er den ganzen Vormittag lang in den Himbeeren. Einmal nur, als ein Eichhörnchen im Gebüsch raschelte, sprang er vor Schreck zur Seite.
Gegen Mittag zogen dicke, graue Wolken auf und bald fing es an zu regnen. Brian nahm seinen Sammelbeutel und trabte zurück zu seiner Behausung. Er hatte gut zwei Pfund Himbeeren gefuttert, schätzte er, und er trug noch mal zwei Pfund in seinem zum Beutel verknoteten Anorak.
Gerade in dem Moment, als Brian sein Lager erreichte, ging ein Wolkenbruch nieder. Regentropfen prasselten auf den Sand vor der Hüttenwand und bald rieselten schmutzige kleine Bächlein zum See hinunter. Doch unter dem steinernen Dach der Klippe war es trocken und warm.
Brian fing eben an die frisch gepflückten Himbeeren auf das Häuflein der aussortierten, reifen Bauchweh-Kirschen zu legen, als er merkte, dass hellroter, klebriger Saft durch den Stoff seines Anoraks sickerte.
Er fing ein paar Tropfen auf, leckte seinen Finger ab und fand, dass der Saft süß und prickelnd schmeckte – wie Himbeersoße ohne Vanilleeis. Grinsend beugte er sich nach hinten, hob den tropfenden Beutel hoch und ließ sich den Saft in den Mund rinnen.
Draußen regnete es in Strömen. Brian aber lag behaglich im trockenen Sand. Er spürte fast keine Schmerzen mehr und genoss die wohlige Sattheit in seinem Bauch. Er leckte sich die Lippen und lächelte. Zum ersten Mal seit dem Flugzeugabsturz hatte er keine Angst um sein Leben. Alles war friedlich und auch der Schreck, den der Bär ihm eingejagt hatte, war vergessen.
In der Abenddämmerung ging Brian zum See, um sich den Himbeersaft vom Gesicht abzuwaschen. Dann kehrte er in die Hütte zurück, legte sich hin und wartete auf die Nacht.
Brian wusste, dass dieser Bär ihm kein Leid zufügen würde, solange er ihn in Ruhe ließ. Unheimlich war es aber doch, an die wilden Tiere des Waldes zu denken. Während draußen die Welt in Dunkelheit versank, zog er das Beil aus der Gürtelschlaufe und legte es griffbereit neben sich. Mit der Hand auf dem kühlen Stahl schlief er endlich ein.
8
Was war das? Mitten in der Nacht, im Dunkel seiner Behausung, riss Brian die Augen auf und konnte doch nichts sehen. Aber da war ein Ächzen zu hören, ein Knurren, leise und schaurig. Der Wind brauste in den Bäumen, es war ein Sturm, der zornig die Fichtenwipfel schüttelte.
Brian fuhr auf und erschrak. Dann roch er den Gestank.
Es war ein
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