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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Paulsen
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dass seine Magengrube noch immer eingesunken war. Kein kugelrunder Bauch, wie er ihn manchmal nach zwei Hamburgern und einem sahnigen Milchmix hatte. Er spürte noch immer den Hunger, aber nicht mehr wie früher: nicht mehr so nagend. Dies war ein neues Hungergefühl, das ihn immer begleiten würde, auch wenn er zu essen hatte. Ein Hunger, der ihn wachsam machte für die Suche nach Nahrung. Wachsam für die Jagd.
    Er ließ seinen Blick über die Hecken schweifen, um sich zu vergewissern, dass diesmal kein Bär da war. Dann ging er hinunter zum See. Mit dem ausgestreckten Speer die Büsche vor seinem Gesicht beiseiteschiebend erreichte er das Ufer und wandte sich nach links. Er wusste nicht, ob Weidenholz am besten für einen Bogen geeignet war oder eine andere Art. Noch nie hatte er einen Bogen gemacht – nicht mal mit einem Bogen geschossen. Aber er glaubte, dass er das richtige Holz irgendwo am Wasser finden würde.
    Er sah ein paar junge Birken. Sie waren elastisch, aber irgendwie fehlte es ihnen an Kraft, wie sie in Weidengerten steckte. Nicht genug Spannkraft.
    Irgendwann, weiter oben am Seeufer, als er gerade über einen gestürzten Baumstamm klettern wollte, hörte er eine Explosion und sprang erschrocken zurück. Eine gefiederte Bombe stob in die Luft und flog mit donnerndem Flügelschlag davon. Vor Schreck fiel Brian auf den Rücken. Dann war der Spuk vorbei und nur das Bild von einem knatternden Wirbelwind blieb in der Erinnerung.
    Ein Vogel war es gewesen, halb so groß wie ein Huhn, mit einem fächerförmigen Schwanz und Stummelflügeln, die trommelnd gegen den Körper klatschten. Ein Geräusch wie Gewehrfeuer. Brian stand auf und schüttelte sich Erde und Laub aus dem Haar. Der Vogel hatte ein getupftes Gefieder, bräunlich und grau, und wahrscheinlich war er nicht besonders intelligent. Denn er war seelenruhig sitzen geblieben, bis Brian fast über ihn stolperte. Es fehlte nicht viel und er hätte den Vogel mit dem Fuß zertreten.
    Oder gefangen, dachte er – und aufgegessen! Vielleicht gelang es ihm, einen dieser Vögel zu fangen, ihn mit dem Speer zu spießen. Wahrscheinlich schmeckten sie nicht anders als Hühner. Nicht anders als so ein Hühnchen, das seine Mutter manchmal im Küchenherd gebraten hatte – so knusprig und golden braun …
    Kopfschüttelnd schob Brian das verlockende Bild beiseite und wanderte weiter am Ufer entlang. Dort stand ein Baum mit schlanken, hoch aufschießenden Ästen – und als er einen von ihnen herunterbog, steckte eine beinahe gefährliche Spannung im Holz. Sorgfältig wählte er einen langen, besonders gerade gewachsenen Ast, zog das Beil aus der Schlaufe und versuchte ihn mit einem kräftigen Hieb vom Stamm zu trennen.
    Es ging aber nicht so leicht. Das Holz war zäh. Und damit es nicht splitterte, musste Brian das Beil wie ein Messer benutzen und die Astgabel vorsichtig einkerben. So konzentriert war er bei der Arbeit, dass er es anfangs nichts hörte.
    Ein beharrliches Summen wie von Insekten – nur gleichmäßiger und irgendwie dröhnend – drang an sein Ohr. Doch Brian achtete nicht darauf. Ganz vertieft hackte er drauflos, dachte an seinen Bogen und stellte sich vor, wie er das Holz mit der Klinge glätten und formen würde. Erst als der Ast sich mit einem letzten Knacken vom Stamm löste, hob Brian den Kopf und gewahrte das leise Dröhnen.
    Ein Flugzeug! Es war das Geräusch eines Motors, noch weit entfernt, aber anscheinend immer lauter werdend. Die Retter kamen, um ihn zu suchen!
    Brian warf den Ast und seinen Speer ins Gras. Nur das Beil umklammernd rannte er los – zum Lagerplatz. Er musste das Feuer auf der Klippe anzünden und den Rettern ein Rauchsignal geben. Jetzt war der Moment gekommen! Brian lief um sein Leben. Er sprang über Baumstämme und flog wie ein Geist durch die Büsche, geduckt mit den Armen pumpend, wie bei einem Hürdenlauf. Das Motorengeräusch war lauter geworden – und es war näher gekommen.
    Oder wenigstens kam es in seine Richtung. Ganz deutlich malte sich Brian die nächsten Sekunden aus. Er würde Feuer machen, den vorbereiteten Scheiterhaufen in Brand stecken und das Flugzeug würde die Rauchsäule sehen und eine Schleife über dem Lagerplatz ziehen, immer enger, und mit den Tragflächen winken. Ein Wasserflugzeug würde es sein, mit Schwimmern statt eines Fahrgestells, und es würde ans Ufer gleiten und der Pilot würde staunen darüber, dass Brian noch am Leben war – nach all diesen Tagen.
    All dies malte er sich aus,

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