Allein in der Wildnis
Wehmütig lächelte Brian bei der Idee einer Nachspeise. Immerhin war noch Zeit genug, weiter oben am See ein paar Himbeeren zu pflücken.
Also versorgte er schnell das Feuer und machte sich auf den Weg, um den richtigen Stab für einen Speer zu suchen. Ein Speer!, dachte Brian begeistert. Nachdem er – wie ein Mensch der Steinzeit – das Feuer erfunden hatte, würde er seine erste Jagdwaffe besitzen.
Es gab viel zu tun.
12
Es klappte nicht mit dem Speer.
Brian stand im seichten Wasser und wartete. Immer wieder musste er warten. Die kleinen Fische schwammen heran und er stieß zu – aber er war zu langsam. Er versuchte den Speer zu werfen, mit ihm zu stechen, aber es half nichts. Die Fische waren einfach zu schnell.
Gestern war er so sicher gewesen, dass es klappen würde. Er hatte abends am Feuer gesessen, die Weidengerte über den Knien, und sorgfältig die Rinde abgeschält. Schließlich hatte er einen geraden Schaft von sechs Fuß Länge, der am unteren, dickeren Ende knapp einen Zoll stark war.
Dann hatte er das Beil an der Felswand verkeilt und das Ende der Stange geduldig über die Klinge gezogen, bis sie in einer scharfen Spitze auslief. Trotzdem war Brian noch nicht zufrieden. Denn er bezweifelte, ob er mit einem so primitiven Werkzeug einen Fisch aufspießen konnte. Darum nahm er das Beil und spaltete seinen Speer an der Spitze, zwanzig Zentimeter tief ungefähr, und schob einen Holzkeil zwischen die beiden Enden, so dass eine Gabel mit zwei scharfen Dornen entstand. Sein Speer sah gefährlich aus, und als Brian ihn prüfend emporhielt, lag er gut in der Hand.
Wie viel Mühe hatte er sich mit diesem Fischspeer gegeben, ihn immer wieder verbessernd, bis er mehr als ein Werkzeug war. Und jetzt klappte es nicht. Brian stand lauernd im seichten Wasser, die Fische kamen herangeschwommen, fette Brocken darunter, aber wie oft er es auch versuchte – sie waren einfach zu schnell. Anfangs hatte er versucht den Speer zu werfen, aber es war hoffnungslos. Kaum hob er den Arm, um auszuholen, erschraken die Fische und stoben davon. Dann versuchte er sie aufzuspießen. Er stand da, hielt die Speerspitze knapp über Wasser und stach zu, sobald ein Fisch in Reichweite kam. Schließlich tauchte er den Speer sogar ins Wasser und wartete, bis die Fische genau vor die gabelförmige Spitze schwammen – aber irgendwie ahnten sie die Bewegung voraus, bevor Brian zustieß, und flitzten davon.
Er brauchte etwas anderes. Ein Mittel, das den Speer schneller machte als die Fische. Irgendeine Antriebskraft. Eine Feder, die ihn vorwärtsschleuderte – oder einen Bogen. Was er brauchte, waren Pfeil und Bogen. Einen langen Pfeil, dessen Spitze unter Wasser blieb, während Brian den Bogen spannte, um die Sehne im richtigen Augenblick loszulassen. Ja, das war die Lösung.
Er musste Pfeil und Bogen »erfinden«. Lachend stieg er aus dem Wasser und zog sich die Schuhe wieder an. Es war heiß geworden, die Sonne stand mittlerweile schon hoch und Brian zog sein Hemd aus. Vielleicht war es wirklich in grauer Vorzeit so geschehen. Irgendein Urmensch hatte versucht mit einem Speer zu fischen. Es klappte nicht und so »erfand« er dann Pfeil und Bogen. Vielleicht ging es mit allen großen Erfindungen so: Sie passierten, weil sie passieren mussten.
Er hatte noch nichts gegessen an diesem Morgen, darum nahm er sich Zeit, ein Ei auszugraben und es zu essen. Die anderen bedeckte er wieder mit Sand, warf ein paar klobige Scheite aufs Feuer, hakte das Beil an den Gürtel und wanderte, den Speer in der rechten Hand, am Seeufer entlang, um das richtige Holz für einen Bogen zu finden. Er ging mit nacktem Oberkörper, aber vielleicht haftete der rauchige Duft des Feuers an seiner Haut und hielt die Insekten fern. Jedenfalls plagten sie ihn nicht, als er den Platz mit den Himbeerhecken erreichte. Die Himbeeren waren überreif geworden in diesen Tagen. Er würde so viele wie möglich ernten, nachdem er das Holz für den Bogen gefunden hatte. Vorerst begnügte er sich damit, seinen ersten Hunger zu stillen. Die Beeren waren prall und süß. Wenn er eine pflückte, fielen gleich zwei oder drei andere ins Gras. Bald waren seine Hände und seine Wangen von rotem Beerensaft verschmiert und Brian war satt. Ein überraschendes Gefühl. Er hatte schon geglaubt nie wieder satt zu werden. Er kannte nur noch den Hunger. Jetzt aber war er satt. Ein Schildkrötenei und ein paar Handvoll Beeren hatten ihn satt gemacht. Er blickte an sich hinunter und sah,
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