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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Paulsen
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sich auflehnen, denn er war wieder geboren.
    Natürlich hatte er eine Menge Fehler gemacht. Jetzt konnte er lächeln, als er am See entlangging, nachdem die Wölfe verschwunden waren, und an die früheren Fehler denken, die er gemacht hatte, bevor ihm klar wurde, dass er neue Wege finden musste.
    Er fachte wieder ein Feuer an, das er jetzt mit halb verrotteten Ästen nährte, weil er entdeckt hatte, dass morsches Holz viele Stunden lang glühen und doch wieder aufflackern konnte. Dies war nicht die einzige neue Entdeckung. Sein erster Bogen war eine Katastrophe gewesen, die ihn beinahe das Augenlicht kostete.
    Den ganzen Abend hatte er beim Feuer gesessen und die Form des Bogens geschnitzt, bis er wirklich schön aussah. Zwei Tage hatte er aufgewandt, um Pfeile herzustellen. Die Schäfte machte er aus gerade gewachsenen Weidenruten. Er schälte die Rinde ab und härtete die Spitzen über dem Feuer. Einige spaltete er an einem Ende zu gegabelten Spitzen, wie er es mit dem Speer gemacht hatte. Weil er keine Federn hatte, konnte er seine Pfeile nicht stabilisieren. Um Fische zu schießen, so dachte er sich, brauchten sie nicht weit zu fliegen. Viel schlimmer war, dass er keine Bogensehne hatte. Es entmutigte ihn – bis er zufällig auf seine Joggingstiefel hinabschaute. Sie hatten lange Schnürsenkel – viel zu lang – und Brian fand, dass er den einen halbieren konnte. Nun hatte er zwei kurze Bänder für die Schuhe und ein langes, das ihm als Bogensehne diente.
    Alles schien gut, bis er den ersten Probeschuss machte. Er legte einen Pfeil auf die Sehne, spannte den Bogen und zielte auf eine Graskuppe. Genau in diesem Moment zerbrach der Bogen. Er explodierte mit lautem Krachen in seiner Hand und die Teile flogen ihm um den Kopf. Zwei Splitter bohrten sich in Brians Stirn, knapp über den Augen. Nur ein paar Millimeter tiefer und Brian wäre blind gewesen.
    Zu steif, dieser Bogen.
    Das war nur einer von vielen Fehlern. In seinem geistigen Tagebuch verzeichnete er all diese Pannen, um seinem Vater eines Tages davon zu erzählen. Er gab nicht auf. Er machte sich einen neuen Bogen, weicher und schlanker, mit einer leichteren Spannung – aber er konnte damit keinen Fisch treffen, obwohl er sich flach ins Wasser setzte und schließlich von einem wimmelnden Schwarm kleiner Fische umgeben war. Es war zum Verzweifeln. Er spannte den Bogen, hielt den Pfeil direkt über das Wasser, und wenn der Fisch kaum mehr eine Handbreit entfernt war, ließ er den Pfeil los.
    Und schoss daneben. Es sah aus, als ginge der Pfeil direkt durch den Fisch hindurch, immer wieder, aber der Fisch blieb unverletzt. Nach langen, vergeblichen Stunden kam er auf die Idee, die Pfeilspitze unter Wasser zu halten. Er spannte den Bogen und wartete, bis ein Fisch direkt vor die Pfeilspitze schwamm. Und während er wartete, fiel ihm auf, dass das Wasser den Pfeil in der Mitte abzuknicken oder zu biegen schien.
    Natürlich! Er hatte vergessen, was er in der Schule gelernt hatte. Nämlich, dass Wasser das Licht umleitet oder bricht. In der Physikstunde hatten sie es gelernt – oder in Biologie? Brian konnte sich nicht mehr erinnern. Jedenfalls wurde Licht durch das Wasser abgelenkt, und das bedeutete, dass die Fische gar nicht dort waren, wo sie zu sein schienen. In Wirklichkeit waren sie tiefer und das hieß, dass er direkt unter ihren Bauch zielen musste.
    Nie würde er seinen ersten Treffer vergessen. Niemals. Ein rundlicher Fisch mit goldenen Flanken, die in der Sonne blitzten, blieb vor der Pfeilspitze stehen und Brian zielte tiefer, direkt unter den Fisch, und ließ den Pfeil von der Sehne schnellen. Ein jähes Wirbeln im Wasser, ein Aufblitzen goldener Schuppen und Brian packte den Pfeil, hob ihn hoch und da hing der Fisch, von der Pfeilspitze durchbohrt, zappelnd vor dem blauen Himmel.
    Brian hielt den Fisch in die Luft, bis er zu zappeln aufhörte. Er schaute hinauf und war stolz auf das, was ihm gelungen war.
    Er hatte sich Nahrung beschafft.
    Mit einem selbst gemachten Bogen, wie ihn die ersten Menschen vielleicht erfanden, hatte er Beute gemacht und sich Nahrung beschafft. Und Nahrung hieß Leben. Der Bogen hatte ihm dieses Geschenk gemacht und Brian jubelte über das, was er geschaffen hatte: den Bogen, die Pfeile, den Fisch – und seinen eigenen Platz in der Schöpfung.
    Er stand auf und watete aus dem Wasser, den Bogen an sich gedrückt und den Pfeil mit dem Fisch in der Hand. Er spürte, dass alles richtig war. Alles war mit ihm verbunden

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