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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Paulsen
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und er war ein Teil von allem. Er hatte Nahrung gefunden.
    Von einem Weidenstrauch schnitt er einen Stock und hielt damit den Fisch übers Feuer, bis die Haut knusprig aufsprang und das mürbe Fleisch köstlich zu duften anfing. Er löste es mit den Fingern von den Gräten, steckte es in den Mund, ließ es auf der Zunge zergehen, kostete das Aroma. Stück für Stück aß er andächtig diesen ersten Fisch.
    Er konnte nicht genug bekommen. Immer wieder ging er an diesem ersten Tag zum See, erlegte einen Fisch, trug ihn zum Feuer, um ihn zu braten und mit Heißhunger zu verschlingen. Dann wieder hinunter zum See, noch einen Fisch gefangen, ihn gebraten und gegessen – bis die Dunkelheit kam.
    Die übrig gebliebenen Gräten nahm er mit zum Wasser und verwendete sie als Köder. Die kleinen Fische kamen zu Hunderten und putzten die Abfälle weg. Brian brauchte nur auszuwählen, welchen er haben wollte. Fast wie im Supermarkt, dachte er. Und konnte sich später nicht mehr erinnern, wie viele Fische er an diesem Tag gegessen hatte. Bestimmt mehr als zwanzig.
    Es war ein Festtag für ihn, dieser Tag, an dem er zum ersten Mal wirklich satt wurde – ein Tag des jubelnden Lebens. An diesem Abend, als die Dunkelheit kam und Brian an seinem Feuer lag, sein Bauch gefüllt und auf der Zunge den Geschmack köstlicher Bratfische, spürte er neue Hoffnung in sich aufsteigen.
    Nicht mehr die Hoffnung auf Rettung von außen. Das war vorbei. Sondern Hoffnung und Zuversicht in sein eigenes Können. Hoffnung auf die Tatsache, dass er lernen und überleben und für sich selbst sorgen konnte.
    Eine neue Hoffnung, dachte er an diesem Abend. Und es war eine neue, unbeirrbare Hoffnung.

14
    Natürlich machte er Fehler.
    Kleine Fehler, die er machte, konnten sich zu Katastrophen auswachsen. Alberne kleine Pannen konnten Lawinen auslösen. Lächerliche Situationen führten unversehens in Todesgefahr.
    In der Stadt gab es immer die Möglichkeit, alles wieder in Ordnung zu bringen. Wenn er mit dem Fahrrad stürzte und sich den Fuß verstauchte, konnte er warten, bis die Verletzung wieder heilte. Wenn er beim Einkaufen etwas vergaß, fand er im Kühlschrank andere leckere Dinge.
    Hier in der Wildnis war es anders. Und alles passierte so unglaublich schnell. Wenn er sich hier den Fuß verstauchte, musste er verhungern, bevor er wieder laufen konnte. Wenn er mit dem Pfeil nicht traf oder wenn die Fische einmal ausblieben, war er in Gefahr zu verhungern. Und wenn er krank wurde – ernstlich krank wurde, so dass er nicht mehr Beeren sammeln oder Fische fangen konnte –, war alle Hoffnung vorbei.
    Brian hatte Fehler gemacht.
    Fehler, die ihn die einzige große Wahrheit über das Leben in der Wildnis lehrten: nämlich, dass Nahrung das Wichtigste war. Alle Lebewesen, vom kleinen Insekt bis zum Wolf oder mächtigen Bären, waren ständig auf der Suche nach Nahrung. Dies war die große Triebfeder der Natur.
    Dieses Gesetz musste auch Brian lernen. Und es kostete ihn beinahe das Leben. Es war die zweite Nacht, nachdem er die Jagd mit Pfeil und Bogen entdeckt hatte. Satt und zufrieden lag er vor seinem Feuer. Er hatte tief geschlafen – doch irgendetwas hatte ihn geweckt. Ein sonderbarer Geruch hing in der Luft.
    Nicht weit von der Feuerstelle entfernt machte ein Skunk sich zu schaffen. Ohne Furcht vor den glühenden Kohlen und ohne Brian zu beachten, scharrte das Stinktier mit seinen Vorderpfoten im Sand, an der Stelle, wo die Schildkröteneier vergraben lagen. Im Licht der schmalen Mondsichel sah Brian deutlich den buschigen Schweif, den der Skunk zierlich in die Luft reckte, und die weißen Streifen an seinem Rücken. Fast musste er lächeln über das possierliche Tier. Aber wie hatte der Skunk die Eier gefunden? Vielleicht wurde er angezogen von dem Duft, den ein am Boden vergessenes Stückchen Eierschale verströmte. Neugierig schaute Brian zu, wie das Stinktier emsig am Boden scharrte und den Sand hinter sich warf.
    Doch die Schildkröteneier gehörten Brian! Der Skunk hatte kein Recht darauf. Jetzt lächelte Brian nicht mehr über den kleinen Räuber, der so frech in seine Hütte eingedrungen war.
    »Verschwinde …«, rief er. Und wollte noch mehr sagen.
    Alberne Wörter in der Sprache der Menschen. Aber er kam nicht mehr dazu. Denn der Skunk reckte sein Hinterteil hoch und sprühte Brian – aus kaum einem Meter Entfernung – eine geballte Ladung mitten ins Gesicht.
    Es war eine furchtbare Waffe, diese ätzende Säure des Stinktiers. Ekelhafter

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