Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition)
gehörte Kate Katz, auch bekannt als »Cruella« und/oder »Die Schwarze Witwe.«
Bevor ich Cruella kennenlernte, erfuhr ich von Drew und einigen der Bobs und Joes ihre Geschichte. Sie war seit fünfundzwanzig Jahren im Business. Sie galt als sehr smart, sehr ehrgeizig und sehr tough. In ihren jüngeren Jahren war sie ein häufiger Scheidungsgrund gewesen, bevor sie schließlich selbst heiratete und Kinder bekam. Ihr Ehemann war ein wahnsinnig erfolgreicher Aktienhändler, der bei einer anderen Firma angestellt war, sodass sie nicht mehr wegen des Geldes hier arbeitete. Im Team nahm man an, dass sie nur deswegen von halb sieben Uhr morgens bis sechs Uhr abends schuftete und den weiten Weg hin und zurück nach Westchester auf sich nahm, weil sie ihren Ehemann und ihre Kinder hasste, oder, was man für wahrscheinlicher hielt, sie sie hassten. Früher musste sie mal schön gewesen sein, aber das Arbeitsleben mit seinem ständigen Stress hatte sichtbare Spuren hinterlassen, egal wie viele Stunden sie mit ihrem Personal Trainer verbrachte. Aber sie wirkte harmlos, sodass ich die Geschichten über sie nur schwer glauben konnte.
»Wassislos, Süße?«, fragte Reese, als er spielerisch gegen meinen Klappstuhl trat. »Willste dich heute zu mir setzen?«
»Danke, Reese, aber ich dachte eigentlich daran, mich heute mal zu Kate zu setzen. Du weißt schon – Frauenpower und so …«
»Bist du wahnsinnig? Hast du nicht zugehört? Tu’s nicht!« Reese tat, als würde er vor Angst zittern.
»Hör auf den Mann, Girlie! Sie ist bösartig. Geh ihr weiträumig aus dem Weg«, mischte Drew sich ein.
»Ich bin jetzt seit vier Monaten hier. Ich bin nicht mehr so naiv wie zu Anfang. Es geht bestimmt gut. Außerdem hat Chick mir gesagt, ich soll mich zu jedem setzen. Das schließt Kate mit ein.«
»Wie du meinst, Süße! Wenn du meinen guten Rat ignorieren willst – nur zu. Aber sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!« Reese verschränkte die Arme.
»Du wirst es bereuen«, pflichtete Drew ihm bei, als ich ans Ende der Reihe ging.
Frohgemut klappte ich meinen Stuhl auf und setzte mich neben sie. »Entschuldige, Kate? Könnte ich wohl heute neben dir sitzen?«, fragte ich munter.
So nah war ich ihr noch nie gekommen, und zum ersten Mal bemerkte ich den klotzigen Diamantring an ihrer linken Hand. Sie trug sehr wenig Make-up, und die dunkelblauen Ringe unter ihren Augen ließen sie älter als fünfzig aussehen. Es war, als hätte sie aufgegeben. Für einen kurzen Moment tat sie mir leid. Vielleicht war sie überfordert mit dem Druck, sowohl erfolgreich im Beruf als auch eine gute Ehefrau und Mutter zu sein, oder vielleicht war sie erschöpft von zu viel Stress und zu wenig Schlaf. Sie drehte ihren Stuhl langsam um und starrte mich und meine ausgestreckte Hand an, behielt ihre Hände aber fest verschränkt in ihrem Schoß.
Dann sagte sie: »Sorry, aber wieso hältst du es für nötig, zu mir zu kommen und mir was ins Ohr zu plärren, obgleich ich dich ignoriere?«
Vielleicht war sie aber auch einfach nur die Wiedergeburt des Teufels und zu sehr damit beschäftigt, Kindern ihre Malstifte zu zerbrechen, als sich Gedanken um ihr Aussehen zu machen. Ich wartete darauf, dass sie lachte und beteuerte, dass es ein Scherz gewesen sei. Tat sie aber nicht.
»Lass dir eins gesagt sein, Kindchen: Ich werde nicht dafür bezahlt, die Jugend Amerikas zu unterrichten. Wenn ich das gewollt hätte, wäre ich eine verdammte Kindergärtnerin geworden. Also, da du kaum mehr als zwei Tage hier bist, schlage ich vor, dass du dir ein paar Dinge einprägst, bevor du mich wieder ansprichst und meine Zeit mit Fragen verschwendest, die wahrscheinlich meine Zwölfjährige beantworten könnte. Dieser Haufen Wichser da drüben« – womit sie verächtlich auf Drew und Reese wies, die so taten, als hörten sie nicht zu – »hätte dir einen Gefallen tun und was zum Lesen geben können, statt dir von morgens bis abends in den Ausschnitt zu starren. Oh, und vielleicht sollte ich mich etwas genauer ausdrücken: mit Lesen meine ich etwas ohne große Farbfotos von Tom Cruise oder Lipgloss. Solche Bücher existieren tatsächlich und können sogar nützlich sein, wenn man wie du offensichtlich nicht das Geringste über das Geschäft mit Anleihen weiß.«
Sie wirbelte herum, öffnete die unterste Schublade eines großen Aktenschranks hinter ihrem Schreibtisch und holte nach und nach eine riesige Sammlung gebundener Bücher und fotokopierter Papierstapel
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