Allein mit dem Teufel: Roman (German Edition)
heraus. Die lud sie mir nach und nach auf, bis ich kaum noch über den Stapel blicken konnte.
»Beginnen wir mit dem Basiswissen: Grundwissen für Hypothekenanleihen, Wie gestaltet man die Swap-Kurven?, Fabozzis Fixed-Income-Handbuch, Handbuch für Wirtschaftsindikatoren, Wie funktioniert der Optionsmarkt? Lies das alles. Und wenn du fertig bist, kannst du wieder zu mir kommen, vielleicht rede ich dann mit dir. So wie du aussiehst, brauchst du wahrscheinlich gute acht bis zehn Jahre dafür. Und tu dir selbst einen Gefallen: Wenn du hier arbeiten willst, wenn du diesen armseligen Klapp stuhl gegen einen richtigen Schreibtisch eintauschen willst, dann solltest du außer diesen Büchern keine andere Lektüre eines Blickes würdigen, abgesehen von der, die dir jeden Morgen ein Junge vor die Haustür wirft. Und jetzt nerv jemand anderen! Mein täglicher Bedarf an lästigen Unterhaltungen mit Idioten ist gedeckt.«
Ich bekam lahme Arme von der Bibliothek, die sie mir ge rade aufgeladen hatte. Ich hatte gehofft, dass Cruella mich unter ihre Fittiche nehmen, mich durch das Testosteron-Labyrinth führen würde, in dem wir beide arbeiteten. Sie war seit ewigen Zeiten in dem Business; sie musste tough sein. Aber sie war weit mehr als das: Sie war bösartig. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, ob sie vielleicht irgendwann einmal wie ich gewesen war, naiv und unsicher, wie man sich als Frau unter lauter Männern zu verhalten hatte. Was wäre, wenn ja, und wenn die Jahre im Handel sie in eine andere verwandelt hätten, in eine, die grausam, gemein und, nun ja, Furcht einflößend war? Was, wenn es das war, was allen Frauen nach ein paar Jahren hier passierte? Vielleicht passierte das zwangsläufig , wenn man erfolgreich sein wollte an der Street. Ich schwor mir im Stillen, zu kündigen, bevor ich in ihre Fußstapfen treten würde. Ich trug meine Bibliothek zurück zu Drews Schreibtisch, Cruellas Beleidigungen immer noch im Ohr.
»Ich habe versucht, dich zu warnen.« Drew nahm mir die oberste Hälfte des Bücherstapels ab.
»Steht dein Angebot, heute neben dir zu sitzen, immer noch, Reese?«, fragte ich ihn, als er auf der Kante von Drews Schreibtisch mit dem Klammeraffen herumspielte, sodass sich die Heftklammern wahllos über den Teppich verstreuten.
»Klar, Girlie! Kein Problem«, sagte Reese und legte mir beschützend den Arm um die Schultern. »Halt dich nur an mich, und alles ist gut. Schnall dich an, Schätzchen! Heute bringe ich dir bei, wie man das Telefon bedient.«
Am Mittwoch der folgenden Woche wies Chick früh am Morgen auf mich und sagte: »Girlie, du musst diese Zinskurven für uns updaten. Arbeite die neuen Trends ein und entferne alle in diesem Quartal abgestürzten Bonds. Ich möchte die Kursblätter bereinigt haben. Arbeite auch die Forward Drops für die Swap-Kurve ein. Ich möchte sowohl die dreimonatigen, sechs monatigen und jährlichen Forward Rates als auch die Spot Rates. Wieso haben wir die nicht?«
»Ich weiß es nicht, Chick«, antwortete ich ehrlich. Und sei es auch nur, weil ich keine Ahnung hatte, wovon er redete. »Ich mache mich gleich daran. Bis wann brauchst du sie?«
»Bis morgen. Ich fahre jetzt zu einem Golfturnier. Reese hat dir gezeigt, wie das Telefon funktioniert, richtig?«
»Ja. Ich weiß Bescheid«, sagte ich. Was auch stimmte. Ursprünglich dachte ich, Reese’ Angebot, mir telefonieren beizu bringen, wäre reine Zeitverschwendung. Du meine Güte, schließ lich war ich eine Frau! Ich kannte mich gut aus mit Telefonen und ihren Funktionen. Bis mir klar wurde, dass die Telefonanlage von Cromwell etwas fortschrittlicher war, als das schnur lose Telefon meiner Highschool-Zeit. Die Cromwell-Anlage war komplizierter als alles, was ich je gesehen hatte. Es gab verschiedenste Leitungen: nur hausintern, nur extern, Direktleitungen zu Klienten, Desk-zu-Desk-Leitungen (New Yorker Büros und unsere eigenen Desks in anderen Städten der USA und Übersee). Es gab auch einige Leitungen mit Abkürzungen, die ich nicht verstand, über die ich mir laut Reese »nicht den Kopf zerbrechen sollte«. Vor ihnen hatte ich regelrecht Schiss und rührte sie nie an. Ich war nach meiner Einweisung durch Reese länger geblieben und hatte meine Mom und Liv angerufen. Mit ihnen probierte ich, ob ich sie auf stumm schalten, trennen, auf Warte position oder auf Konferenzgespräch schalten und weiterverbinden konnte, ohne sie abzuhängen. Ich brauchte zwei Stunden, um es hinzukriegen.
»Gut. Setz dich an
Weitere Kostenlose Bücher