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Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu

Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu

Titel: Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Y. Schmidt
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eigentlich nicht so mit Bergen habe, ein neuer absoluter Lebenshöhenrekord. Die Grenzstadt Batang erreichen wir am frühen Abend. Bis hierhin hätte ich es auch ohne Bart geschafft, obwohl der Lonely Planet Leuten ohne Tibet-Permit empfiehlt, in Batang ein Bus-Rückfahrticket in der Tasche zu haben. Das soll helfen, Ärger mit der lokalen Polizei zu vermeiden, die hier besonders gut auf Ausländer aufpasst. Von Batang aus sind es nur noch dreißig Kilometer bis zur tibetischen Grenze, und jeder Fremde, der allein kommt, wird verdächtigt, illegal in die Nachbarprovinz zu wollen, um dort Land und Leute zu verderben.
    Obwohl ich kein Illegaler bin, ist mir trotzdem etwas mulmig, als ich am Abend allein durch die kleine Stadt spaziere. Eventuell geht ja doch im letzten Moment noch etwas schief? Vielleicht hat man ja ganz oben inzwischen von meiner journalistischen Vergangenheit Wind bekommen? Oder vielleicht war die von Anfang an bekannt, und Bart ist nur dabei, um aufzupassen, dass ich garantiert nicht rüberkomme. Das würde auch erklären, warum er von nichts eine Ahnung hat. Und warum muss er eigentlich die ganze Zeit telefonieren und mit wem? Er ist doch vorher nie ans Telefon gegangen? Irgendetwas stimmt da nicht, und das macht mich nervös. Die Wahrheit werde ich aber erst morgen erfahren.

    Heute freue ich mich noch einmal darüber, dass Bart sich zur Feier des Tages nicht hat lumpen lassen und wir in einem schönen Hotel abgestiegen sind, das fließend Wasser hat, echten Strom und eine Dusche mit eingebauten Massagedüsen, mit Licht und Radio, die als mobile Kabine in das Badezimmer gestellt wurde. Herrlich! Duschen! Nachdem es gestern nur eine Waschschüssel und vorgestern ein Waschbecken gab. Sogar ein Schild an der Kabinentür begrüßt mich freundlich: «Welcome to use products of our company. Wish to bring beautiful enjoy to you. This is our aim of service.» Meine Freude währt allerdings nur so lange, bis ich die Dusche betrete. Weil sich dabei ihr Schwerpunkt verlagert, kippt die ganze Kabine beinahe um, und als sie sich stabilisiert hat, gibt es kein Wasser. Mal sehen, was auf dieser Reise noch so alles kippen wird. Ich hoffe nur, dass ich das nächste Mal nicht schon wieder nackt bin.

Im Wilden Westen
Tibet – für die einen das Dach der Welt, für die anderen das größte Verkehrshindernis des Planeten. Unser Held übersteht Höhenkrankheitspest und Erdrutschcholera. Die Belohnung: chinesische Volksbefreiungssoldaten mit einer süßen Überraschung.
    Okay, das war’s wohl, denke ich, als ich am nächsten Morgen um sechs ganz allein im stockdunklen Hotelfoyer sitze. Bart und Dorje haben sich auch eine halbe Stunde nach der verabredeten Zeit nicht blicken lassen. Tschüss Tibet, tschüss Lhasa, tschüss Mount Everest. Ich überlege, was bloß ich als Nächstes machen soll. Zwar gibt es täglich einen Bus von hier nach Markham, der nächsten größeren Ansiedlung hinter der Provinzgrenze auf tibetischem Gebiet. Aber den kann ich nicht nehmen. Man wird mir ohne Permit überhaupt kein Ticket verkaufen, und falls ausnahmsweise doch, wird mich die Polizei spätestens in Markham aus dem Bus fischen. Ich könnte natürlich auch versuchen zu trampen, aber ohne Genehmigungen ist auch das nahezu unmöglich. Ich habe zwar die nötigen Papiere, nur sind sie nicht in meinem Besitz. Wie bei allen Jeep-Touren üblich, bleiben sie in den Händen des Führers. Ich bin also Bart völlig ausgeliefert und kann hier nichts anderes machen, als zu warten und zu hoffen, dass er doch noch kommt. Das tut er nach einer weiteren Viertelstunde, gut gelaunt. «Verschlafen», sagt er ohne ein weiteres Wort der Entschuldigung. Ich glaube, ich bin inzwischen wirklich ein bisschen paranoid.

    Es gibt aber auch immer wieder einen Anlass. «Heute sitze ich mal vorne. Nur die ersten Kilometer», sagt Bart überraschend, als ich in den Jeep steigen will. «Wieso? Kann es Probleme an der Grenze geben?» – «Nein», sagt Bart, «du hast ja die Permits.» – «Und warum kann ich dann nicht vorne sitzen?» Darauf gibt er keine Antwort. Natürlich, ich hatte vergessen, dass man in China niemals die Warum-Frage stellen darf.
    Tatsächlich aber hat Bart recht. An der Grenze geht alles reibungslos. Der Polizist auf der Sichuaner Seite muss gerade erst aufgestanden sein, denn er steht an der Straße und steckt sich das Hemd in die Hose. Die Passagiere in dem vorbeifahrenden Jeep sieht er nicht. Dann ist die Strecke frei, und wir biegen nach

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