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Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu

Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu

Titel: Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Y. Schmidt
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entdeckt. Auf den letzten Kilometern haben wir auch immer wieder chinesische Mountainbiker überholt, die sich zu Hunderten die Pässe rauf-und wieder runterquälen.
    Ein paar Radfahrer ziehen gerade an der Schranke vorbei, da wird Dorje in die Polizeistation gerufen. Als er wieder rauskommt, übersetzt Bart, dass die Polizisten ihn ermahnt haben, vorsichtig zu sein und Ausschau zu halten. «Vor ein paar Tagen ist ein Jeep von der Passstraße gestürzt. Sie haben ihn und die Insassen immer noch nicht gefunden.» Nach diesen ermutigenden Worten dürfen wir weiterfahren. Wir schrauben uns so lange hoch, bis der Mekong unter uns nur noch eine kleine rote Schlange ist, die sich durch die Landschaft windet. Auf der ersten Passhöhe angekommen, gibt es eine kleine Überraschung. Dorje stellt fest, dass sich der Reifen doch nicht per Wunder repariert hat. Das ist nicht zu übersehen. Der Reifen ist sehr platt.
    Immerhin kann sich Dorje bei einem chinesischen Fahrer eine Luftpumpe ausleihen. Mit der schafft er per Hand und sehr viel Kraft wieder ein wenig Druck auf den Reifen, während ein anderer chinesischer Jeep-Tourist dieses Topereignis begeistert fotografiert. So kommen wir bis ins nächste, nur wenig tiefer gelegene Dorf. Hier stehen zwar ein paar mit Kalaschnikows bewaffnete Soldaten rum, aber zu Barts Überraschung gibt es keine Autowerkstatt. Also wechselt Dorje neben einem Wildwasserbach den Reifen gegen das Reserverad, neugierig beäugt von zwei Khampas, die mit vollbeladenen Maultieren langsam Richtung Passhöhe ziehen. Wir erreichen sie eine knappe Stunde später. Schon von weitem kann ich sehen, dass dieser Pass nochmal eine Nummer imposanter ist als alle, die wir bisher überquert haben. Eine halbe Stunde lang fahren wir auf eine gewaltige dunkle Felswand zu, knapp davor biegen wir nach rechts ab. Die Wand und die Passhöhe liegen im Schatten schwarzer Wolken, aus denen es kräftig schneit. Schnee am ersten August, das hatte ich auch noch nie. Ich will von dieser Szenerie ein Foto machen, aber so schnell ich aus dem Jeep raus bin, so schnell sitze ich auch wieder drin: «Jetzt verliert rechts hinten Luft. Los, Dorje, schnell weiter.»
    Dorje drückt sofort aufs Gas. Wir kommen noch gerade so über den verschneiten Pass. Ein paar Serpentinen später ist aber auch dieser Reifen platt. Wenigstens sind wir jetzt rund dreihundert Meter unterhalb des höchsten Punkts und außerhalb der Schneefallzone. Das aber ist anscheinend immer noch zu hoch für mich. Als ich auf einen kleinen Hügel steige, um den havarierten Jeep zu fotografieren, beginne ich nach Luft zu schnappen. Dazu packt mich starker Schwindel, und Übelkeit steigt auf. Scheiße, das muss die Höhenkrankheit sein, vor der alle Reiseführer warnen. Und es erwischt mich ausgerechnet jetzt, wo wir hier festgenagelt sind. Ich mache sofort, dass ich von dem Hügel runterkomme, und setze mich in den Jeep. So geht es etwas besser. Atemprobleme und Übelkeit bleiben, aber wenn ich mich nicht bewege, hört wenigstens der Schwindel auf.
    Trotzdem wäre es besser, wenn ich bald ein paar hundert Meter tiefer käme. Bei Symptomen wie diesen sollte das eigentlich sofort passieren. Der Lonely Planet schreibt, dass Höhenkrankheit schon ab dreitausend Metern tödlich sein kann, «obwohl die normale Spanne zwischen dreitausendfünfhundert bis viertausendfünfhundert Metern liegt». Wir sind hier aber auf mindestens viertausendsiebenhundert Metern, und die Aussichten auf Rettung sind schlecht. Bart will einen anderen Mitsubishi-Jeep anhalten und dessen Fahrer den Reservereifen abschwatzen. Doch ausgerechnet heute fahren nur Toyota-Jeep-Kolonnen vorbei, und Toyota-Reifen passen nicht.
    Am Ende ist es Dorje, der die beste Idee hat. Er hält einen Mopedfahrer an und fährt mit ihm in den nächsten Ort, den defekten Reifen zwischen sich und den Fahrer gepackt. Nach anderthalb Stunden kommt er mit dem geflickten Reifen zurück. Gevatter Höhenkrankheitstod hat dieses Mal noch ein Einsehen, als wir ein paar hundert Meter tiefer sind, geht es mir schon entschieden besser. Ich zünde mir auf den Schrecken erst einmal eine schöne «Mitte-Süd-See»-Zigarette an, von denen ich mir eine Stange aus Chengdu mitgenommen habe. Mir bleibt trotzdem ein leichtes Zittern, selbst als wir am Abend endlich Zogang erreichen. Die Stadt liegt allerdings mit dreitausendachthundert Metern auch mehr als tausend Meter höher als Batang, das mir inzwischen unendlich weit entfernt scheint. Dabei

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