Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuvia Tenenbom
Vom Netzwerk:
Kollektion auf der Grundlage unserer Fahne. Das waren damals andere Zeiten. So etwas konnte man damals nicht machen. Wenn ich in ein Restaurant oder eine Kneipe kam und in die deutsche Fahne gekleidet war, verstummten die Leute auf einmal. Niemand wollte in meiner Nähe sitzen. Man hielt mich für eine Extremistin oder einfach nur für verrückt. Aber ich liebe Deutschland. Früher habe ich es gehaßt, mit seiner bedrückenden Geschichte. Aber dann habe ich es liebengelernt. Das tue ich wirklich. Ich liebe die deutsche Flagge. Sie ist oben schwarz, das ist bedrückend, unten aber golden. Und was ist in der Mitte? Rot. Das ist die Energie. Ich habe auch eine starke Affinität zum Judentum. Haben Sie die goldenen Quadrate auf den Bürgersteigen gesehen? Ich kriege jedesmal Gänsehaut, wenn ich sie sehe. Jüdische Musik, ich liebe jüdische Musik. Manchmal gehe ich in die Synagoge hier in Köln. Einfach so. Vielleicht werde ich eines Tages eine Kollektion nach dem Vorbild chassidischer Kleidung entwerfen. Eine meiner Kollektionen ist aus originalen Bergarbeitermonturen gefertigt, die manchmal sehr verdreckt und verschwitzt sind. Aber die Kunden lieben es. Menschen, die nicht körperlich arbeiten, tragen gerne diese Kleidung. Sie verschafft ihnen ein gutes Gefühl. Meine Mäntel kosten um die 700 Euro, die T-Shirts 89.«
    Wie es die Regel auf meiner Deutschlandreise ist, bin ich aus einer Laune heraus nach Köln gefahren. Ich hatte genug von der ganzen islamischen, jüdischen, nazideutschen Geschichte und brauchte eine Pause. Köln lächelte mich auf der Landkarte an, und deshalb bin ich jetzt hier. Ich habe allerdings keine Ahnung, wo ich übernachten soll.
    In der hiesigen Touristeninformation frage ich nach einer Empfehlung. Manche Hotels in Deutschland bieten Sondertarife für Journalisten an. Zwei Stunden später teilt man mir telefonisch mit, daß man ein Hotel für mich gefunden hat: das Excelsior Hotel Ernst. Und ich muß nichts zahlen. Ich habeeine Suite. Direkt gegenüber dem Dom. Die Geschichte starrt mich an. 600 Jahre hat es gedauert, diese Kirche zu bauen, wie mir ein Fremdenführer heute verriet. Zwei Stunden hat es gedauert, mich ganz in ihren Genuß zu bringen. Ich kann mich nämlich auf den Balkon setzen und sie berühren. Jedenfalls fast. Der Kühlschank ist mit Leckereien vollgestopft, alles im Preis inbegriffen. Ich habe ein Jacuzzi und zwei Badezimmer. Marmorfußboden in einem Teil des Zimmers, moderne Malerei in einem anderen, schöne Läufer und Teppiche, und jeden Tag stehen frische köstliche exotische Früchte bereit. Diverse Zweiersofas, Ledersessel, sogar ein Drucker – für den Fall, daß ich ausdrucken möchte, was ich schreibe. Das ist ein Palast. Ich werde von Kopf bis Fuß verwöhnt, mein ganzer Körper jubelt vor Vergnügen. Das Essen im Hotel ist exotisch, mehr will ich gar nicht sagen. Kurzum, das hier ist eine spirituelle Erfahrung. Man kann über Gerechtigkeit, Sozialismus, Kommunismus, Kapitalismus, Fairneß, Religion, Glauben, Freiheit, Humanität, Rechtschaffenheit, Frieden, Liebe und all die anderen schönen Wörter sagen, was man will. Im Excelsior schmelzen sie dahin wie der Schnee von gestern. Nur dieses Hotel ist real. Der Himmel. Das Leben in dieser Suite ist das einzige, was zählt, die einzige Wahrheit. Ich verliebe mich wieder in Deutschland. Darf ich das etwa nicht? Im Ernst, ist nicht alles andere egal? Mir schon. Nichts ist mehr wichtig. Gar nichts.
    Ich fühle mich erhaben hier. Ich spüre, daß ich ein Guter bin. Ich bin nett. Ich fühle mich pudelwohl mit mir. Und mit der Welt. Alle Menschen sind gut. Solange ich diese Suite habe. Alle sind wunderbar. International fühle ich mich heute. Meine Zeitung für heute soll die International Herald Tribune sein. Warum? Weil sie das Wort international im Titel führt. Ich liebe alle und jeden. Die Liebe ist meine Religion, politischkorrekt meine Seele, Excelsior, das bin ich. Ich setze mich auf eines der kleinen Sofas und beginne mit der Zeitungslektüre. Wie immer lese ich die wichtigsten Meldungen in der rechten Spalte der Titelseite zuerst. »Überleben statt Leben in Gaza«. So ist der heutige Aufmacher überschrieben. Ich schäume vor Wut. Schon wieder? Auch die Amerikaner haben nichts Besseres zu tun? Kümmert euch mal lieber um eure Mormonen! Warum belästigt mich alle Welt ständig mit Israel? Seit dem Tag, an dem die Christen vor 2000 Jahren begannen, einem italienisch aussehenden Juden zu folgen, können sie

Weitere Kostenlose Bücher