Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
es einfach nicht lassen. Wenn ihre Zeitungsredakteure nichts finden, worüber sich zu schreiben lohnt, schreiben sie über Juden. Ich hätte da einen Vorschlag für euch, Redakteure: Warum nehmt Ihr euch nicht einfach mal die Gay Games vor? Ich weiß zwar nicht so recht, was das ist, aber hier in Köln sind viele Leute eifrig damit beschäftigt, sich darauf vorzubereiten. Es handelt sich um so etwas wie Olympische Spiele für Schwule und Lesben und Transvestiten und andere. So in der Art. Klingt doch nicht uninteressant. Das gäbe eine nette Schlagzeile ab: »Schwule Spiele in der Moschee«. Jeder wird das lesen wollen. Garantiert. Die Zeitung wird sich verkaufen wie geschnitten Brot, und die Verleger werden genug verdienen, um sich ein Wochenende im Excelsior leisten zu können. Bestimmt.
Gut, aber jetzt hätte ich gerne den Zimmerservice. Doch was bestellen? Was brauche ich, das ich nicht schon habe? Werfen wir einen Blick auf die Liste.
Auf meinem Bett liegen drei Kissen, eins besser als das andere. Dazu eine kleine Mitteilung für mich.
Um mir meine Nachtruhe so angenehm wie möglich zu gestalten, heißt es dort, freut sich das Hotel, mir eine zusätzliche Auswahl an Kissen anzubieten.
Zur Auswahl stehen unter anderem antiallergische Kissen, Roßhaarkissen, Kirschkernkissen …
Wo sind wir hier? Was für Leute kommen hierher, die verwöhnter sind als der liebe Gott?
Faszinierend, das muß ich herausfinden.
Wilhelm Luxem, der einen äußerst kompetenten Eindruck auf mich macht, ist der geschäftsführende Direktor des Excelsior Hotel Ernst. Wir treffen uns auf einen lockeren Plausch.
Wie muß ich mir den typischen Hotelgast hier vorstellen?
»Mit einem großen Ego, aber nicht im negativen Sinn.«
Erinnern Sie sich an irgend jemand Bestimmtes, der in »meinem Bett« geschlafen hat?
»Henry Kissinger.«
Wie hoch ist der Anteil von Gästen, die wiederkommen?
»Ziemlich hoch. 38 Prozent. Es gibt Gäste, die ihr eigenes Bett bei uns haben. Ein Gast aus Wien zum Beispiel. Er will in keinem anderen Bett schlafen. Ich weiß nicht, warum. Also ließ er sein Bett zu uns verfrachten, damit er in ihm schlafen kann, wenn er hier ist, und in seiner Abwesenheit lagern wir es für ihn ein. Er kommt ungefähr viermal im Jahr.«
Sie lagern sein Bett für ihn?
»Ja, wir behalten es hier. Manche Gäste lassen auch ihre Kleidung bei uns. Um nichts mit sich herumschleppen zu müssen.«
Berechnen Sie ihnen die Lagerkosten?
»Nein! Warum sollte ich? Das ist die beste Werbung, die es gibt: Ich weiß, daß sie wiederkommen. Ihr Bett ist hier. Ihre Kleidung ist hier. Wir glauben an Service, Service ist sehr wichtig.«
Wilhelm hat Stil. Er behandelt mich, König Tuvia, wie es mir gebührt. Ein glänzender neuer Mercedes wartet vor dem Hotel auf mich, um mich zu meiner nächsten Erkundung zu bringen: Ich bin mit den Organisatoren der Gay Games verabredet. Statt dessen jedoch stolpere ich, wie es der Teufel so will, in eine Schwulenbar. Dort lerne ich Eric kennen, einen Mann mit einer ziemlich seltsamen Frisur und so etwas wie einem Bart.
»Man lebt hier gut als Schwuler«, erklärt er mir, »und ich fühle mich akzeptiert. Man wird uns natürlich nie hundertprozentig akzeptieren, weil wir immer eine Minderheit bleiben werden. Die Natur will, daß die Menschen sich vermehren, und wir tun es nicht. So ist das halt. Wie heißen Sie? Ah, sprechen Sie hebräisch? Unser Barmann, der Geschäftsführer, spricht auch hebräisch. Möchten Sie ihn kennenlernen?«
Ist er denn Jude?
»Nein, aber er spricht hebräisch.«
Wie kommt’s?
»Fragen Sie ihn. Er heißt Oliver.«
Oliver ist schwerlich zu übersehen. Er küßt einfach jeden auf den Mund und wird von jedem geküßt.
»All diese Küsse«, sagt er zu mir, »und nie werde ich krank. Irgend jemand da oben muß mich gerne haben.«
Ist es also gut, schwul zu sein?
»Ja.«
Was ich mich frage: Jetzt, wo Sie alles erreicht haben, was Sie erreichen wollten, ich meine auf das Schwulsein bezogen, was kommt jetzt? Sie haben ein Leben damit zugebracht, für gleiche Rechte und Anerkennung zu kämpfen, und jetzt haben Sie beides. Jedenfalls die meisten. Wie geht das Leben jetzt weiter – für einen Mann, der es gewohnt ist zu kämpfen, der aber keinen Anlaß zum Kämpfen mehr hat? Was können Sie jetzt noch machen?
»Geschäfte.«
Wie bitte?
»Was wir hier machen. Geschäfte ...«
Sie meinen, wie diese Schwulenbar?
»Genau.«
Sind Sie Jude?
»Lo«, antwortet Oliver auf
Weitere Kostenlose Bücher