Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuvia Tenenbom
Vom Netzwerk:
hat, dann ist das Dilemma, mit dem ich diese Reise begann, gelöst. Die schreckliche Nazivergangenheit dieses Landes auf der einen Seite und die schöne, romantische deutsche Literatur auf der anderen widersprechen sich nicht wirklich.
    »Das größte Problem der Deutschen ist, daß sie sehr romantisch sind, total romantisch. Und Romantik kann gefährlich werden. Sie schlägt leicht ins Gegenteil um.«
    Hat er aber auch recht? Wie Schwester Jutta-Maria aus München möchte ich der Sache auf den Grund gehen.
    Vielleicht ist es an der Zeit, sich auf die Geschichte zu besinnen und herauszufinden, wie alles begann. Vielleicht könnte sich eine kleine Erkundung des Doms als hilfreich erweisen. Das ist schließlich Geschichte, eine lange zurückreichende Geschichte. Wenn Rabbi Schmidt mich etwas gelehrt hat, dann dies: Als erstes sollte man sich immer mit der Geschichte vertraut machen!
    Ich gehe zum Dom, um mich mit der Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner zu treffen, der ersten Frau, die diese Position innehat. Wilhelm Luxem vom Excelsior, der mich mit Paul bekannt gemacht hatte, stellt mich auch Barbara vor.
    »Dieser Abschnitt«, sagt sie und zeigt im Eingangsbereich nach draußen, »wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt.«

    Ich dachte, die Alliierten hätten den Dom verschont, oder etwa nicht?
    »Überwiegend. Aber ein Großteil der Umgebung des Doms wurde bombardiert. Eigentlich wollten die Briten auch hier Bomben abwerfen.«
    Warum?
    »Die Kölner Nazis hielten bis zum Schluß stand.«
    In Erinnerung an das, was Paul mich über das Wesen der Kölner gelehrt hat, sage ich: Ich dachte, die Kölner wären keine –
    Sie unterbricht mich: »Ja, natürlich. Und in Deutschland gab es auch keine Nazis …«
    Sie lacht, während sie das sagt. Diese Frau ist sarkastisch und hat einen Sinn für Ironie.
    »Im Dom hing ein Hakenkreuz«, fährt sie fort.
    Das verträgt sich nicht gut mit den Geschichten, die ich bisher in dieser Stadt gehört habe. Aber Fakten, denke ich mal, wiegen stärker als Fiktionen.
    »Sechs Millionen Besucher kommen jedes Jahr hierher«, sagt Barbara, abrupt das Thema wechselnd. Sechs Millionen? Die Zahl kommt mir bekannt vor.
    Barbara ist praktizierende Katholikin, was ihr bei ihrer Arbeit sehr hilft. Täglich finden hier fünf Gottesdienste statt, erzählt sie mir. Klingt für mich nach einer Moschee, was ich aber für mich behalte. Statt dessen frage ich etwas entschieden Wichtigeres:
    Wo sind die Aktgemälde? Ich sehe so gerne Akte in einer Kirche.
    »Der Dom stammt aus einer späteren Epoche. Selbst Adam und Eva, ursprünglich nackt gemalt, mußten auf Geheiß bedeckt werden, und so sehen Sie sie hier.«
    Sie zeigt sie mir. Aber ich hake nach: Wirklich gar keine Akte in dieser Kirche?
    »Interessante Frage. Ich muß das überprüfen. Ich habe nie darüber nachgedacht. Ah, ein Akt fällt mir ein, ein Höllenbildnis. Wollen Sie es sehen?« Natürlich. Ist ja umsonst! Wir gehen hin. Sehr erotisch ist das, was wir da sehen, allerdings nicht. Ich frage: Noch irgend etwas? »Ich gehe dem nach«, antwortet Barbara. »Jetzt bin ich neugierig geworden.«
    Sie zeigt mir noch einige Schätze, die die Touristen normalerweise nicht zu sehen bekommen. So zum Beispiel die Bauzeichnungen für den Dom, herrlich detailliert auf Pergament ausgeführt. Im Jahr 1270. »Eine Frau in Darmstadt hat darauf Erbsen getrocknet«, erzählt Barbara, was auf die Wege verweist, die dieses historische Dokument nahm, bevor es wieder an seinen angestammten Platz zurückkehrte.
    Barbara weiß eine Menge, keine Frage. Sich mit ihr zu unterhalten, ist ein Vergnügen. Sie ist lebhaft, direkt, witzig und hochintelligent. Nach einer Weile treten wir aus dem Dom heraus, damit ich während unseres Plauschs eine rauchen kann. Nach einer Weile fällt mir auf, daß die Kölner Klagemauer verschwunden ist.
    Was ist mit der Klagemauer passiert? frage ich sie.
    »Montags sind die nie da.«
    Barbara erzählt mir von der Zeit, als die Leute von der Mauer praktisch hier lebten, direkt am Eingang des Doms. »Sie hatten jahrelang ein Zelt hier, sie lebten hier.« Es dauerte eine Weile, bis die Anwälte der Domkirche es schafften, sie zwangszuräumen, was ihnen jedoch nur gelang, weil das Zelt auf dem Grundstück der Kirche stand.
    Was halten Sie von diesen Leuten und ihrer Mauer?
    »Es ist schlicht antisemitisch und rassistisch. Es gibt ein paar reiche Leute in Köln, die Walter Herrmann [Initiator und Unterhalter der Mauer] unterstützen. Auch

Weitere Kostenlose Bücher