Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
liegen den Deutschen dabei ungefähr so sehr am Herzen wie die Iraner. Nämlich null. Nullkommanull. Aber schönes Design machen sie, die Deutschen, weil sie unbedingt gut aussehen wollen. Und darin sind sie Genies, keine Frage. Mehr als jedes andere Volk auf der Welt konzentrieren sich die Deutschen auf visuelle Schönheit – mit Erfolg. Aber das genügt ihnen nicht. Unbewußt glauben die Deutschen, daß sie, wenn sie sich den Palästinensern im Gazastreifen widmen, die Braunbären in Buchenwald aus dem Gedächtnis tilgen – und in den Augen der Welt schön aussehen werden.
Deutschland ist eines der reichsten Länder der Erde, aber die Deutschen jammern, als wäre es eines der ärmsten. Besser ist nicht gut genug, das Beste ist nicht gut genug; sie wollen mehr. Immer mehr. Sie sind antisemitisch und rassistisch bis ins Mark, verdecken es aber mit Masken, Liebesbekundungen und öffentlichen Umarmungen des anderen. Sobald ein Thema hip erscheint, springen sie auf den Zug auf und fahren mit. Sie wollen cool aussehen. Sie lieben es, auf jede Frage mit einer ausführlichen Einleitung zu reagieren, bevor sie sich zueiner Antwort bequemen, weil sie von einer echten Antwort keinen Schimmer haben, aber trotzdem gescheit aussehen wollen. Nichts Schöneres für sie, als gescheit zu wirken. Sie sind, kurz gesagt, so selbstbetrügerisch und selbstgerecht wie kein zweites Volk auf der Welt.
Diese Gedanken gehen mir an die Nieren. Weil ich tief in mir die Deutschen liebe.
Laßt mich jetzt schlafen gehen und etwas Schönes träumen.
Morgen wird ein toller Tag.
Schlaf gut, Gaza. Gute Nacht, allerseits. Ich bin im Bett. Hallo Wölfchen, kannst du mich hören? Ein bequemes Bett hast du. Gefällt mir.
Kapitel 22 In dem man uns sagt, daß die Israelis Nazis sind
Die ersten Naziminister der Geschichte nahmen 1930 in Weimar ihre Amtsgeschäfte auf, erzählt mir eine Frau am nächsten Tag. Und der erste Reichsparteitag nach der Neugründung der NSDAP fand ebenfalls in Weimar statt, und zwar im Juli 1926.
Anja, die für das Touristeninformationsbüro arbeitet, fährt mich zum Panorama Museum in Bad Frankenhausen, damit ich mir dort Werner Tübkes Monumentalgemälde anschauen kann. Anja wurde in Ostdeutschland geboren, sie kennt die DDR aus eigener Erfahrung und ist froh darüber, daß die Mauer fiel.
Was war Ihr erster Eindruck vom Westen?
»Ich ging in einen Supermarkt und konnte es nicht fassen: Wofür braucht man 20 verschiedene Sorten Senf?«
Das ist alles?
»Ich war in einem McDonald’s und konnte den Geruch nicht ertragen. Den Geruch unnatürlichen Essens. Und erst der fürchterliche Geschmack! Bis heute kann ich da nichts essen!«
Ich bin mir sicher, Anja hätte noch viel zu erzählen, aber wir sind jetzt bei Werners Frühbürgerliche Revolution in Deutschland angekommen. Ein erstaunliches, 14 mal 123 Meter großes Werk, das, da es ein Rundbild ist, weder Anfang noch Ende hat. Das Gemälde ist in die vier Jahreszeiten unterteilt, die durch die jeweiligen Hintergrundfarben betont werden; man kann aber an jedem beliebigen Punkt beginnen, es zu betrachten. Die DDR beauftragte den Künstler seinerzeit, die letzte Schlacht im Bauernkrieg von 1525 zu malen. Werner ging jedoch über eine getreue Abbildung des Freiheitskampfs der Bauern gegen ihre Feudalherren hinaus. Sein Bild ist voller Erzählungen über Reiche und Arme, über Gerechtigkeit und Rechtlosigkeit und bedient sich ausgiebig biblischer Überlieferungen aus dem Alten und dem Neuen Testament. Damit öffnete der Maler seine Welt einem größeren Publikum.
Das Gemälde kann einem Alpträume bescheren. Faktisch läuft seine Botschaft darauf hinaus: Es gibt böse Menschen und wird sie immer geben, was auch immer man dagegen tut. Das ist eine irritierende Lehre, selbst wenn sie zutrifft. Und trotzdem lenkt sie nicht von der Schönheit der Arbeit ab.
Dieses Museum wurde als Museum für ein Bild angelegt. Heute befinden sich in den Sälen, die zu Werners Werk hinführen, noch zahlreiche andere Gemälde. Hier ist ein Bild von jemandem, der den gelben Stern trägt. Ja, den berüchtigten »Judenstern« aus der Nazizeit.
Wie haben es die Juden geschafft, sich ausgerechnet hier einzuschleichen?
Das war es. Ich fahre zurück nach Weimar, verabschiede mich von Hitler, Schiller, Goethe und steige in den Zug nach Leipzig.
In Leipzig lerne ich ein lustiges Geschöpf namens Birgit kennen. Sie fragt mich, ob ich die amerikanische Botschaft besuchen möchte. Warum sollte
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