Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
es, was auf diesem Kirchentag am meisten Eindruck auf mich macht. Und nein, sie sind nicht nur hier so. In Hamburg genauso, in der Autostadt genauso. Nur daß ich hier Gruppen von Menschen erlebe, die innehalten, um dieses Wunderding in meinen Händen zu sehen. Unglaublich, diese Deutschen. Ich bin beeindruckt. Sie lernen gerne, und ich liebe meine neue Rolle als Lehrer.
Doch hat jede menschliche Begeisterung ihre Grenzen, wie Sie sicherlich wissen, und nach einem Tag voller Spiritualität für meine Seele erheischt nun auch mein Magen ein klein wenig Aufmerksamkeit.
Ich verlasse die Messe und gehe in die Stadt. Direkt neben der sehr hübschen Frauenkirche lächelt mich das Restaurant Andechser am Dom an. Hier werde ich essen.
Reiner, ein Katholik, der mir gegenübersitzt, läßt mich an seinen Gedanken über den Kirchentag teilhaben. Er findet es gut, wenn Katholiken und Protestanten miteinander ins Gespräch kommen, glaubt aber nicht, daß sich in der Praxis etwas ändert, solange sich die katholische Kirche für die einzig wahre hält. Nein, seiner Meinung nach soll die katholische Kirche nicht ihr Selbstverständnis aufgeben. Täte sie es, dann würde sich die Kirche auflösen. Und dann gebraucht er dieses lange deutsche Wort: Alleinvertretungsanspruch . Man muß wohl Katholik sein oder drauf und dran, einer zu werden, um zu verstehen, was das bedeutet.
Eine sehr freundliche Blondine kommt vorbei. Die Bedienung. Was ich gerne essen würde? Tja, was kann sie mir empfehlen? Ich habe Lust auf etwas Leckeres. Wir einigen uns auf ein Schnitzel. Sie lächelt, ich lächle, sie macht einen Scherz, ich mache einen Scherz, und Reiner schwingt eifrig Reden. Reiner hält Obama für den besten Präsidenten seit Roosevelt.
Was findet er an Obama so gut?
Na ja, Reiner ist persönlich sehr beeindruckt von Obama. Für einen Schwarzen, sagt Reiner, ist Obama außergewöhnlich intelligent. Obama, sagt Reiner, kann eine Stunde lang reden, ohne einen Fehler zu machen! Dieses erstaunliche Phänomen mußte Reiner erst mal verarbeiten, einen schwarzen Mann mit einem derartigen Auftritt! Obama hat die Führungsetage von Goldman Sachs gefeuert, fügt Reiner hinzu, und das war gut so. Reiner ist gegen Kapitalisten überall auf der Welt, und gegen Kriege ist er auch. Obama will aus Afghanistan heraus, und das ist gut. Obamas Politik im Nahen Osten ist noch nicht gut, weil er nicht viel tun kann gegen den »starken Druck der amerikanischen Presse, die jüdisch ist, sowie den Druck amerikanischer Finanzinstitutionen und amerikanischer Ökonomen, die ebenfalls jüdisch sind«. Kann er mir eine amerikanische Finanzinstitution nennen, die zugunsten der Juden Druck auf Obama ausübt? Ja, Goldman Sachs. Lehman Brothers, nebenbei, wurde von amerikanischen Juden aus Deutschland gegründet.
Das alles interessiert mich sehr, weil mir offen gesagt nicht bewußt war, daß ich so reich bin. Ich wußte nicht, daß ich so viele Finanzinstitutionen besitze. Wenn ich zurück in New York bin, werde ich keine Vorstandssitzung von Goldman Sachs mehr auslassen. Auch werde ich einen Finanzberater engagieren müssen, der sich um meine ganzen Medienbeteiligungen kümmert.
Reiner ist viel klüger als ich. Er weiß, was er besitzt: 500 Morgen Land an einem Ort namens Ammersee.
Reiner ist ein Quell der Weisheit. Er kennt sich nicht nur mit den Juden aus, sondern auch mit den Frauen. Österreicherinnen sind deutschen Frauen vorzuziehen. Die deutschen Frauen, warnt er mich, sind emanzipiert – was Minuspunkte gibt. Aber man darf ihn nicht mißverstehen: Diese österreichischen Schönheiten sind keine dummen Püppchen. Sie sind scheinbar ergeben, aber sie wissen, wie sie ihre naiven Ehemänner um ihre kleinen gehorsamen österreichischen Finger wickeln können!
Also Vorsicht!
Das Schnitzel kommt. Es ist ausgezeichnet. Unter uns gesagt, ist es mir ziemlich wurscht, was Deutsche über Juden denken. Solange ich ihre Schnitzel genießen kann, sollen sie gesegnet sein.
Zu gegebener Zeit ist der Schnitzelteller geleert, während sich in einem anderen Teil der Stadt der Kirchentag langsam seinem Ende zuneigt. Wohin sollte ein reicher Jude wie ich jetzt gehen?
Da kommt diesem Goldman-Sachs-Aktienbesitzer eine Idee: Nachdem du jetzt die Christen besucht hast, warum nicht deine jüdischen medienbesitzenden Partner im Lande aufsuchen?
So wird’s gemacht. Zusammen besitzen wir so viel, daß wir uns kennenlernen sollten.
Wohin geht man, um in Deutschland Juden zu
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