Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Oberkellner, der seit acht Jahren hier arbeitet. »Die Leute kommen hierher, weil es so ruhig ist und wir echte deutsche Küche servieren. Unsere Spezialität ist Kalbsleber auf deutsche Art, mit Zwiebelringen und Kartoffelbrei.«
Das Haus Sanssouci liegt, falls Sie es nicht schon wußten, am Wannsee. In der Villa direkt neben diesem Hochzeitshotel veranstalteten Nazifunktionäre am 20. Januar 1942 die berüchtigte Wannsee-Konferenz, auf der der letzte Nagel in den Sarg des europäischen Judentums gedroschen wurde. Heute ist die Villa ein Museum. Wie fühlt es sich an, sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Endlösung der Judenfrage eine Kalbsleber zu gönnen?
»In Berlin wird man alle fünf Meter an diese Geschichte erinnert. Also weiß man Bescheid, man versteht es, aber es ist Geschichte. Man lebt nun mal hier, so ist das eben. Bundestagsmitglieder führen immer wieder einmal Parteifreunde an einen Ort, der ihnen wichtig ist. Viele von ihnen entscheiden sich für die Wannsee-Villa. Und anschließend kommen sie zu uns, um hier zu essen.«
Günter Bolle ist der Eigentümer von Haus Sanssouci.
»Mein Vater kaufte das Haus 1954 von einem Juden, der nach Amerika ging.«
Wie kam ein Jude in den Besitz dieses Hauses?
»Das weiß ich nicht.«
Warum etabliert man ein Restaurant und ein Hotel für Hochzeiten in der Nachbarschaft eines Ortes, an dem die Vergasung der Juden feinabgestimmt wurde?
»Als mein Vater das Haus kaufte, wußte er nichts von diesem Ort. Niemand wußte etwas. Ich wußte auch nichts. Nichts.«
Ich bin mir nicht sicher, ob ich das recht verstehe. Also frage ich ihn:
Ich versuche mich in das junge Paar hineinzuversetzen, das hier seine Hochzeit feiert. Wie geht das vor sich? Ich meine, ich versuche mir ein Bild zu machen. Die Braut sagt zu ihrem Liebsten: ›Schatz, ich habe eine fantastische Idee! Laß uns direkt neben der Wannsee-Konferenz heiraten. Du weißt schon, dieser Ort mit den Juden und dem Gas.‹ Ist das die Idee, so ungefähr? Wahrscheinlich, oder? Wie erklären Sie sich das?
»Bis heute hat mir noch nie jemand diese Frage gestellt. Wirklich noch nie.«
Bei uns sitzt sein Gärtner, der das Gefühl hat, Günter verteidigen zu müssen. »Und Ihr habt die Indianer getötet!« herrscht er mich an. Was kann ich zu meiner Verteidigung sagen? Ich versuche es damit: »Ich heirate nicht ausgerechnet da, wo ich sie töte.«
Der Gärtner tut es den Bäumen und dem Gras gleich und verfällt ins Schweigen.
Nicht so Günter. Er unterhält sich gerne. »Jeder weiß, daß die Juden die amerikanische Wirtschaft kontrollieren. Aber ich habe ein gutes Auskommen in Deutschland.«
In meiner neuen Funktion als Präsident und Vorstandsvorsitzender von Goldman Sachs frage ich ihn: Wie kommt es, daß die Juden so reich sind?
»Die meisten von ihnen sind Bankiers. Sie waren es hier in Deutschland, und sie sind es in Amerika. Und wer das Geld hat, hat die Macht.«
Warum können die Juden so gut mit Geld umgehen?
»Keine Ahnung. Es ist ihr Charakter. Ich bewundere, was sie in Israel machen. Sie haben einen guten Geschäftssinn. Sie haben das in sich. Sie waren schon immer so.«
Gruselig. Nichts wie raus aus Berlin.
Kapitel 9 In dem wir dem Besuch eines amerikanischen Propheten und einer Hochzeit mit Engeln beiwohnen
Ich nehme den Zug nach Hamburg. Wie ich nämlich gehört habe, gastiert ein »amerikanischer Prophet« in der Stadt, ein gewisser Mr. Patrick Holloran, und den möchte ich mir anschauen. Die in einem Hamburger Vorort gelegene Kirche ist gerammelt voll mit deutschen Gläubigen, jungen wie alten. Sie recken ihre Hände in die Luft wie amerikanische Evangelikale, sie singen, sie reden in fremden Zungen und machen einen ziemlich zufriedenen Eindruck. Auftritt des Propheten. Ein einigermaßen großgewachsener Mann mit Pferdeschwanz, Hemd über der Hose und einer stolz zur Schau gestellten Wampe. Eine Harley-Davidson würde das Bild noch komplettieren.
Er hat aber gar keine Harley-Davidson. Jedenfalls nicht hier. Dafür hat er Bilder dabei. Er zeigt den Versammelten Schnappschüsse von seiner Familie, den Kindern und was sonst noch allem. Gott, sagt er zu allen, die Ohren haben zu hören, bedient sich seiner Schwiegertochter, um Menschen zu Jesus Christus zu führen.
Jetzt ist ein Bild von seiner Frau an der Reihe.
Vor kurzem erschien ein Engel, sagt er, und »befreite sie von vier Tumoren«. Das deutsche Publikum applaudiert. Sie vertrauen diesem amerikanischen Propheten. Keine
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