Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
völlig vergessen, mit dem Rabbi unsere Goldman-Sachs-Beteiligungen zu erörtern!
Am folgenden Morgen lerne ich in einem Straßencafé am Englischen Garten Dr. Dieter und seine Frau Juliane kennen. Juliane erzählt mir von ihrem halbwüchsigen Sohn, der »laute Musik hört und mir, seiner Mutter, sagt: ›Wenn es dir nicht paßt, dann besorg mir doch eine eigene Wohnung.‹« Er ist sehr politisch und »sehr gegen Israel eingestellt und identifiziert sich mit den Palästinensern«.
Dieses Paar, ein Arzt und seine Frau, schämt sich, wenn jemand die deutsche Fahne schwenkt. »Ich bin Europäer«,verkündet Dr. Dieter, »und stolz darauf. Auch die Europäer haben viel Scheiße gebaut. Aber ich bin trotzdem stolz darauf, ein Europäer zu sein.«
Keiner der beiden gibt dem Sohnemann die Schuld. Es ist nicht sein Problem, finden sie, sondern das des Landes. Die jungen Leute in Deutschland interessieren sich nur für eines: Alkohol. Wenn die Pubertät zuschlägt, treiben sich die Jugendlichen draußen herum und betrinken sich. Neulich fragte Dieter seinen Sohn, wieviel er trinkt, wenn er unterwegs ist. »Fünf Bier«, sagte ihm sein Sohn. Fünf?! »Ja.«
Der Alkoholkonsum der Jugendlichen ist nicht das einzige Problem hier: »Es läuft nicht gut in Deutschland«, sagt der Doktor. »Nehmen Sie die Deutsche Bahn. Nie ist sie pünktlich.«
Das kann ich so nicht stehen lassen. Ich sage zu ihm: Ihr Deutschen seid doch nur ein Haufen Meckertanten, die nicht sehen wollen, wie gut sie es haben!
Dr. Dieter schweigt. Er braucht einen Moment, um meine Anschuldigung zu verdauen. Schließlich sagt er, mit gesenktem Blick: »Ja, stimmt schon. Wir sind nie zufrieden mit dem, was wir erreicht haben, wir sind ziemlich selbstkritisch und pessimistisch. Trotzdem sind die Züge in der Schweiz pünktlicher.«
Oha, Sie sind so was von deutsch!
»Schon möglich …«
Ich mache mich auf in den Englischen Garten, wo die Leute Bier trinken. Sie sitzen stundenlang auf einem Fleck und trinken wie die Kamele, ach was, mehr als Kamele. Andere spazieren mit Flaschen oder Krügen umher. Nicht nur Bayern, übrigens. Jedesmal, wenn ich einen Deutschen kennenlerne, ist ein Bier mit im Spiel. Warum nur? Ist das genetisch bedingt? Leiden die Menschen in Deutschland an einer angeborenen Befindlichkeitsstörung, einem katastrophalen Flüssigkeitsmangel, so daß sie unentwegt ihre Kehle befeuchten müssen? Ich hätte das mit Dr. Dieter besprechen sollen! Warum nur komme ich nicht spontan auf solche Gedanken?
Es ist schön heute. Es ist sonnig, es ist warm, es ist Juni. Nach ein paar Regentagen scheinen die Menschen die Rückkehr des Sommers mit offenen Armen zu begrüßen. Männer in Shorts und Frauen im Bikini eilen herbei, um ein paar Sonnenstrahlen zu erhaschen und sich ein wenig zu bräunen. Man stelle sich einmal vor, es wäre für dunkelhäutigere Menschen möglich, sich so gemütlich in der Sonne zu räkeln wie diese Leute hier, dabei aber weißer statt brauner zu werden. Wie viele würden von dieser Möglichkeit Gebrauch machen?
Man merkt, daß ich nichts zu tun habe.
Ich schaue mich um. Wo gibt es etwas Lustiges zu sehen? Direkt vor mir spielt eine Gruppe schwarzer Sänger und Musiker irgendeine afrikanische Musik, das machen sie echt toll. Ihr Rhythmusgefühl ist fantastisch. Einige Weiße lassen es sich nicht nehmen zu tanzen. Ihrem Tanz geht allerdings jede Anmut, jedes Talent ab, und ihr Rhythmusgefühl – wenn man davon überhaupt sprechen kann – ist völlig daneben. Eine der Tänzerinnen lacht die ganze Zeit über. Ich habe nie verstanden, warum schlechte Tänzer lachen, während sie wie wild in der Gegend herumhopsen. Beim Betrachten dieser Szene denke ich, wie gut es tut, einfach nur den kleinen Dingen im Leben zuzuschauen, ohne sich die ganze Zeit mit den Juden zu beschäftigen! Mein Entschluß steht fest: Keine Judengeschichten mehr. Ich bin diesem Thema verfallen, ohne es zu bemerken. Jetzt aber schiebe ich dieser schlechten Angewohnheit einen Riegel vor. Kein Wort mehr über Juden. Juden haben mit Deutschland nichts zu tun; Deutschland steht für Bier und grauenhafte weiße Tänzerinnen. Von jetzt an beschäftige ichmich damit, weißen Frauen beim Herumgehüpfe nach einem nicht vorhandenen Rhythmus und ihren Begleitern beim Biertrinken zuzusehen.
Ich nächtige in einer Wohnung in der schön gelegenen Kaulbachstraße. In dieser Gegend gibt’s keine Juden, soweit ich das feststellen kann. Anscheinend auch keine Nazis. Und
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