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Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuvia Tenenbom
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ursprünglich vorhatte, um mit den Deutschen zu sprechen, die dorthin gehen, um den Palästinensern zu helfen, oder nach Israel, um mit den Deutschen zu sprechen, die dorthin gehen, um denen zu helfen? Moment mal: Was machen Deutsche überhaupt in diesen Gegenden? Also, wenn es die Deutschen in den Nahen Osten zieht, dann werde ich ihnen eben zu Hause auf den Pelz rücken. Wie ich höre, ist Dachau ganz in der Nähe. Man braucht kein Flugzeug; eine S-Bahn wird mich hinbringen, so daß mich nicht einmal eine Aschewolke davon abhalten könnte.
    Wohlbehalten treffe ich in Dachau ein.
    Als erstes fällt mir der Appellplatz auf. Hier mußten die Häftlinge mindestens eine Stunde lang reglos stehen. Auch die Toten unter ihnen hatten anzutreten. Yeah. Eine Mordsgaudi, oder? Und es geht noch besser: Wie ein Foto dokumentiert, stand auf dem Dach des Wirtschaftsgebäudes in weißen Lettern geschrieben: »Es gibt einen Weg zur Freiheit. Seine Meilensteine heißen: Gehorsam, Fleiß, Ehrlichkeit, Ordnung, Sauberkeit, Nüchternheit, Wahrhaftigkeit, Opfersinn und Liebe zum Vaterland!« Hannah Arendt würde vielleicht von der Banalität des Bösen sprechen. Auf mich wirkt es eher wie die Genialität des Bösen.
    Dieses KZ, das erste, das die Nazis bauten, ist ein düsterer Ort, wie all die anderen, die ich schon gesehen habe. Hier wurde das Morden zur Kunstform erhoben: zu einem exakten, wissenschaftlichen, perfekt organisierten, grausamen, systematischen, sauberen Handwerk. Die hier erzielten Forschungsergebnisse, erzählt mir ein Mann mit Verweis auf diverse brutale medizinische Versuche, die an lebenden Menschen vorgenommen wurden, werden »bis auf den heutigen Tag von derNASA angewendet«. Bei dem Raum, den ich anschließend betrete, scheint es sich um das Hauptgebäude zu handeln, und hier fällt mir an einer Wand in kargen schwarzen Lettern eine Nazivorschrift auf: Rauchen verboten . Dann eine weitere, in Rot: Nicht rauchen . Daß sich die Nazis in dieser Hölle von Dachau anscheinend so sehr um die Gesundheit derjenigen sorgten, die sie schon bald in den Tod schicken würden, ist von bitterer Ironie. Und auch das lerne ich hier, in Dachau: Das Naziregime war der erste moderne Staat, der im Namen der Volksgesundheit eine Kampagne gegen das Rauchen initiierte. Mit der NASA-Sache bin ich mir nicht sicher, dies hier aber ist zweifellos etwas, das wir heute »anwenden«: Rauchen verboten . Gehen Sie nur einmal in den Münchner Hauptbahnhof, wo die auffälligsten Schilder nicht etwa die von Coca-Cola sind, sondern die Rauchverbotshinweise.

    Um mehr über die Konzentrationslager zu erfahren, will ich mich mit einem ihrer echten Kenner unterhalten, einem von den Leuten, die jeden Tag hierherkommen.
    Womit wir bei Rosi wären, einer Frau mit altmodischer Brille, die zu den Angestellten dieses KZ gehört. Wäre sie bereit, mit mir zu sprechen? Sie sagt, daß sie mir kein Interview geben kann, dies sei ihr nicht gestattet. War’s das? Nicht ganz. Sie kann mir, wenn ich möchte, ihre persönlichen Gedanken anvertrauen. Diese Art Interview ist erlaubt. Das paßt mir gut. Genau darauf bin ich ja aus.
    Wenn Sie nach Hause kommen, denken Sie dann noch an das KZ?
    »Nein. Ich muß mich um andere Probleme kümmern, mein Auto zum Beispiel.«
    Denken Sie oft an die Greuel, die hier stattgefunden haben?
    »Als ich hier anfing, mußte ich viel lernen, über die Krematorien und diese Dinge. Aber jetzt hat man es mit Touristen zu tun und solchen Fragen wie ›Wo ist denn hier die Toilette?‹«
    Haben Sie durch die Arbeit hier etwas gelernt?
    »Ja. Ich habe viel über andere Kulturen erfahren und auch über unterschiedliche Gruppen in Deutschland, wie Bauern, Juden und andere.«
    Haben Sie schon mal einen Juden persönlich kennengelernt?
    »Nein. Meines Wissens gibt es in München welche, aber ich habe noch keinen kennengelernt.«
    Hat Deutschland etwas aus seiner Vergangenheit gelernt?
    »Deutschland hat seine Lektion nicht verstanden. Deutschland verkauft Panzer und Flugzeuge, mit denen auch heute noch Kriege geführt werden.«
    Was ist Ihr Traum?
    »Ich träume vom Sommer. Wir hatten in diesem Jahr keine Sonne, und ich träume davon, an den Bodensee zu fahren und dort den Sonnenschein zu genießen. Das ist mein Traum.«
    Außer Rosi und ihren Kolleginnen und Kollegen gibt es in Dachau auch Nonnen, die rund um die Uhr, und das sieben Tage die Woche, im Einsatz sind. Willkommen im Karmel Heilig Blut in Dachau.
    Der Grundsatz hier ist Stille und

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