Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
sehen, ob die auch so pünktlich sind.
Es ist mir eine Freude, Ihnen das Ergebnis meiner Recherche mitzuteilen: Alle Busse treffen auf die Minute genau an ihrem Ziel ein.
Was für ein Land!
Kapitel 11 In dem wir Näheres über die Ursprünge der Rauchverbotspolitik erfahren und noch dazu lernen, wie man sich mit Hilfe eines Wasserhahns die Hände wäscht
Ich bin wieder in München. Was mache ich als nächstes? Zum einen muß ich mich um meine Goldman-Sachs-Aktien und meine Medienholdings kümmern. Am besten wäre es vielleicht, mit anderen Vorstandsmitgliedern Kontakt aufzunehmen, die in München ansässig sind. Also besuche ich die jüdische Gemeinde, meine Geschäftspartner. Der Oberrabbiner der jüdischen Gemeinde in München, Rabbi Steven Langnas, begrüßt mich in der Synagoge.
Der Rabbi ist aus den Vereinigten Staaten »importiert«, seine Familie aber hat deutsche Wurzeln. Woher ich das weiß? Er hat es mir gesagt. Für den Fall, daß es mich interessiert, hat er mir darüber hinaus mitgeteilt, daß seine orthodoxe Gemeinde 9000 Mitglieder zählt. Ich bin entzückt. Nicht nur das, sondern bald werde ich höchstpersönlich die Bekanntschaft dieser riesigen jüdischen Gemeinschaft machen. Ich kann es kaum erwarten. Es ist Freitagabend und damit Zeit für den traditionellen Freitagabend-Gottesdienst, mit dem der Beginn des Sabbat gefeiert wird. Und zwar in diesem schönen jüdischen Zentrum von München, das Millionen gekostet haben muß und höchstwahrscheinlich vom deutschen Staat finanziert wurde. Ich bin nicht religiös, aber trotzdem begeistert, hier zu sein. Ich fange an, die 9000 zu zählen. Nur komme ich nicht sehr weit. Anzahl der Gottesdienstbesucher einschließlich sämtlicher Touristen und Gäste aus Israel und den Vereinigten Staaten: 35. Anders gesagt: Ohne die Ausländer stünde das Gebäude praktisch leer. Im Vergleich dazu ist eine durchschnittliche orthodoxe Synagoge in New York an einem Freitagabend proppenvoll. Wo sind die 9000 abgeblieben? Ich weiß es nicht. Nach dem Gottesdienst besuche ich den Rabbi zu Hause, um mit ihm zu Abend zu essen und ihm ein paar Fragen zu stellen.
Der Oberrabbiner von München wohnt in einem der oberen Stockwerke eines Apartmenthauses. Am Sabbat dürfen orthodoxe Juden weder einen Aufzug benutzen noch ein Licht anschalten, und im Unterschied zu dem einnehmenden Rabbi aus Berlin hat dieser Jude hier keinen Polizisten in der Nähe, der »Goi«-Arbeit für ihn verrichten könnte. Also gehen wir die Treppe im Dunkeln hoch. Nicht sehr spaßig, soviel sei gesagt. Aber wir schaffen es. Die Juden haben in Ägypten ein Meer durchquert, da werden sie in Deutschland Treppen steigen können.
Oben angelangt, begrüßt der Rabbi, Steven, nach alter Sitte die Engel in seiner Wohnung. »Willkommen, Engel«, singt er zu einer Melodie, die für mich typisch deutsch klingt. Ja, noch ein amerikanischer Geistlicher, der Engel im Kopf hat. Als hätte mir der »amerikanische Prophet« in Norddeutschland noch nicht gereicht.
Glauben Sie an Engel? frage ich Steven.
»Ja, selbstverständlich.«
Was machen die Engel?
»Sie begleiten die Menschen und schützen sie vor Unheil.«
Wie kann es da Autounfälle geben?
»Weil Gott sich manchmal über die Engel hinwegsetzt.«
Wenn das so ist, kann Gott dann die Menschen nicht auch ohne Engel beschützen?
»Natürlich kann er das.«
Warum brauchen wir dann überhaupt Engel?
»Möchten Sie einen Schnaps?«
Ja.
Er schenkt ein, und wir trinken auf unsere Gesundheit und auf die der 9000 Köpfe starken jüdischen Gemeinschaft. Nicht, daß dies kommentarlos vonstatten ginge. Eine der Frauen am Tisch ist davon so wenig amüsiert wie beeindruckt. »9000?« fragt sie rhetorisch. »Du solltest einmal fragen, wie viele von denen überhaupt jüdisch sind!«
Und das ist noch nicht alles. Sie fährt fort:
»Das jüdische Leben in Deutschland hat keine Zukunft. Dies hier ist ein verfluchtes Land, das uns keinen Segen bringen wird.« Was immer der Rabbi hier mache, sagt sie mir unverblümt, sei eine einzige Zeitverschwendung. Interessanterweise bleiben ihre Worte bei dem Rabbi nicht ohne Wirkung. »Haben Sie genug gehört, was Sie für Ihr Buch gebrauchen können?« fragt er mich.
Ich überlasse den Rabbi und seine Gäste sich selbst, damit sie die Zukunft des Judentums in Deutschland unter sich ausmachen können.
Ich schalte die Treppenhaus-Beleuchtung ein, da dämmert es mir plötzlich: Wo hatte ich denn bloß meinen Kopf! Ich habe
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