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Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tuvia Tenenbom
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sagt sich: Was wird beim nächsten Mal mit ihnen sein? Ob sie verheiratet sein werden? Kinder haben werden? An diesem Tag ist jeder tief bewegt.«
    Ich muß irgendwohin, wo mir gegenüber niemand das Wort Jude in den Mund nimmt. Gibt es einen solchen Ort in Deutschland? Suchet und ihr werdet finden, heißt es bekanntlich. Und ich fand. Schloß Hohenschwangau nämlich, die Sommerresidenz von König Maximilian II., dem Vater König Ludwigs II.
    Hier zu stehen, heißt, sich auf eine Reise in die deutsche Vergangenheit zu begeben.
    An diesem Ort nämlich kann man eine Ahnung, eine Idee davon bekommen, wie diese Gesellschaft geformt wurde.
    Ich verstehe Rabbi Helmut Schmidt inzwischen ein wenig besser.
    Die Anordnung der Gemälde in diesem Schloß, die Farben der Wände, das Mobiliar, alles zeugt nicht nur von makellosem Geschmack und großem Reichtum, sondern auch von einer inhärenten Ordnung. Auch eine Geheimtür gibt es hier für gewisse »Techtelmechtel«, wie uns unser Museumsführer mit breitem Grinsen wissen läßt, als wir eines der Zimmer betreten. Dieser Deutsche liebt seine ehemaligen Oberhäupter mit ihrer fragwürdigen Moral.
    Wir gehen eine Treppe hoch. Teutonische Bronzestatuen und Wandmalereien mit nackten Babys erzählen einen Teil der Geschichte, wie dieses Land entstand. Wagner kam oft hierher und spielte genau hier im Stehen Klavier. Techtelmechtel und Wagner, Kultur kann ganz schön vielseitig sein.
    Nach dem Ende der Besichtigung marschiere ich zu Schloß Neuschwanstein, der Burg König Ludwigs II. – im selben schönen Ort namens Schwangau.
    Über was für ein Erbe das deutsche Volk verfügt! Eine Traumwelt.
    Dieser Palast wurde als Huldigung an Richard Wagner und sein Werk erbaut, berichtet die Führerin, eine lächelnde bayrische Dame. Der König war sehr fromm, erzählt sie den Touristen und zeigt ihnen seine Hauskapelle, ein hübsches kleines Zimmer, in dem unter anderem junge blonde Frauen und ein älterer Herr auf einer Glasmalerei zu sehen sind. Auch eine Leseecke gibt es hier mit Platz für Bücher, aber kein iPad. Er besaß aber ein Telefon, sagt unsere Führerin, mit dem er das andere Schloß, Hohenschwangau, kontaktierte.
    Alles in allem ist dieser Palast von einer unbeschreiblichen Schönheit. Das also hat das deutsche Volk von seinen Regenten geerbt. Das Schloß ist jetzt im Besitz des Volkes. Die Juden haben die Klagemauer geerbt. Die Deutschen Schloß Neuschwanstein.
    Aber ich werde dazu nichts sagen. Ich bin sehr froh, daß heute niemand in meiner Gegenwart das Wort Jude gebraucht hat.
    Am Ende unseres Rundgangs spreche ich die Museumsführerin an.
    Dieses Telefon, das Sie uns gezeigt haben, ist es das erste in der Geschichte? frage ich sie, beeindruckt von Ludwig und der deutschen Technik.
    »Ja, das erste. Siemens hat es erfunden. Es ist das erste Telefon auf der ganzen Welt.«
    Als ein junger Mann, der hier der Hausmeister zu sein scheint, dies hört, unterbricht er sie: »Nein. Das Telefon hat Bell erfunden, nicht wir.«
    Ich notiere, was er gesagt hat.
    Die Dame guckt ihn an, dann mich. Warum schreiben Sie das auf? fragt sie mich.
    Ich bin Journalist.
    »Es ist nicht gestattet, irgend etwas zu schreiben«, sagt sie und verwandelt sich von einer lächelnden Lady in eine klassische Zicke. »Dieses Anwesen gehört dem Staat, und alles, was ich gesagt habe, alle meine Worte, sind Staatseigentum und dürfen NICHT verwendet werden. Ich möchte Ihren Presseausweis sehen.«
    Ich zeige ihr meinen Presseausweis.
    »Sind Sie als Journalist hier? Haben Sie den Behörden mitgeteilt –«
    Ja, habe ich.
    Sie hält den Mund. Da die »Behörden« im Bild sind, kann ich ihre Staatsworte offenbar verwenden.
    Diese Frau ist gestörter als Herr König Ludwig.
    Zeit, diesem deutschen Staatsanwesen Lebewohl zu sagen.
    Was gar nicht so leicht ist, wie man meinen sollte.
    Viele Stufen führen nach unten, und dort angekommen, muß man durch zwei Souvenirläden. Es läßt sich schlechterdings nicht vermeiden. So etwas habe ich in den Vereinigten Staaten noch nie erlebt. Natürlich gibt es in Amerika Souvenirläden, aber man wird nicht zwangsdurchgeschleust.
    Gut, wir sind nicht in Amerika. Das hier ist ein anderes System. Nicht Kapitalismus, sondern Kapitalismus wider Willen. So langsam komme ich dahinter.
    In meinen Händen halte ich einen Fahrplan von der DB, in dem die Bus- und Zugverbindungen vom Schloß zurück nach München aufgelistet sind.
    Wollen wir doch einmal die Busse ausprobieren; mal

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