Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Fehlerfrei.
Ich vermute mal, die arabischen Touristen kaufen die 75-Euro-Tickets.
Daran muß es liegen. Schließlich wissen die Deutschen, soweit ich weiß, sehr viel über Israel, die Juden und alles, was damit zusammenhängt. Wie kann ihnen also ein so kapitaler Fehler unterlaufen? Weil ich das Billigticket gekauft habe. Ergibt Sinn, absolut.
Hoppla, schauen Sie mal hierher! Das ist der Waggon von König Ludwig. Welch schönes Stück! Ich wäre liebend gern ein König. Und hier ist der Adler-Zug, der Nachbau des Nachbaus. Ich weiß nicht, wie Sie darüber denken, aber meiner Meinung nach stellt dieser Zug die neuen ICEs wahrlich in den Schatten. Ein echter Hingucker! Ja, die neuen Züge sind schneller, aber die alten waren einfach nur schön! Kein Wunder, daß sie nicht so schnell fuhren – die Leute wollten ja gar nicht mehr aussteigen! Und nicht nur die Züge selbst, auch die Bahnhöfe. Allein dieses Centralbahnhof-Schild am Ende des Adler-Gleises! Sie haben da eine Zeichnung des Bahnhofs. Erstaunlich gut gemacht, meine Deutschen! Hat echte Tiefe, sieht richtig echt aus. Besser als manche Gemälde in den besten Museen. Sorry. Ich starre die ganze Zeit auf die Zeichnung. Sitze bei ihr. Sie wirkt lebendig. Wirklich gut!
Ich gehe weiter, entzückt wie eine Katze über frischen Rahm.
O nein! Ohne Vorwarnung lande ich in dem Bereich der Deutschen Reichsbahn. Schon wieder die Nazis! Ich renne raus. Schluß mit den Nazis. Kommt endlich drüber hinweg!
Ich gehe zur Frauenkirche. Ich schulde den Münchner Studenten ja noch ein Gebet.
In der Kirche hängt ein riesiges Plakat, das ein Großereignis ankündigt. Irgend etwas mit einem Pogrom. Was für ein Pogrom? Eins gegen Juden. Schon wieder die Juden? Ja. Wann fand das Pogrom statt? 1349.
Man kann die Juden nicht in Ruhe lassen. Nicht eine Sekunde.
Ich habe genug von den Juden. Ich gehe raus.
Ich bin auf der Suche nach einem Leberkäse. Doch statt dessen finde ich die »Straße der Menschenrechte«, eine Gedenkstätte aus 27 Rundpfeilern, zwei Kopfplatten und einer Säuleneiche. Die armen Deutschen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit reiben ihnen die Leute den Zweiten Weltkrieg unter die Nase. Wobei besagte Leute, welch Ironie, die Deutschen selbst sind – in diesem Fall das Germanische Nationalmuseum, das dieses Mahnmal in Auftrag gegeben hat.
Wie ich höre, befindet sich unter dem Rathaus eine Folterkammer. Die sollte ich mir vielleicht ansehen. Hört sich nach einer guten Abwechslung zu dieser ganzen Holocaustgeschichte an. Doch ist die Folterkammer leider geschlossen. Dafür lerne ich Herrn Amano vom Juweliergeschäft »Amano Jewels« kennen. Amano, aus Sri Lanka stammend, kam vor 30 Jahren nach Deutschland. Heute hat er zwei Läden in der Altstadt und »steht gut da«.
Wir sind in einem Coffee-Shop neben einem seiner beiden Geschäfte. Die Gäste verfolgen die Eröffnung der WM aufGroßbildschirmen, Amano jedoch interessiert sich nicht dafür. Er sagt mir, daß er die Deutschen mag.
Was zeichnet sie aus?
»Sie denken viel nach.«
Und das gefällt ihm. Es gefällt ihm auch, daß seine deutschen Kunden ihn reich machen.
»Wissen Sie, was der erste Satz war, den ich je auf deutsch gesagt habe?« fragt er mich.
Nein.
»›Warum sind Sie so ernst?‹«
Und was war die Reaktion?
»Sie wurden noch ernster.«
Er erzählt mir mehr von seinem Leben, das heißt seinem Geschäft: »99 Prozent der Menschen, die in meinem Laden etwas kaufen, sind Männer. Die meisten davon Stammkunden. Manche Männer kaufen für mehr als eine Frau ein. Wenn ein Mann zu mir sagt: ›Geben Sie mir drei Ringe und drei Halsketten, die auf keinen Fall dieselbe Farbe haben‹, dann weiß ich, daß er mehr als eine Frau hat. Die teuersten Stücke, die Männer kaufen, sind für ihre Freundinnen. Die Gattinnen kriegen den billigeren Schmuck. Meine Kundschaft setzt sich aus Ärzten, Anwälten, Geschäftsleuten und Industriellen zusammen. Die meisten meiner Kunden sind Deutsche, aber manchmal kommen auch Araber und Türken. Die wollen immer Rabatt!«
Und dann fügt er hinzu: »Monotheistische Religionen sind verrückt. Da nehmen sich Christen, Muslime und Juden nichts. Ich bin nicht religiös. Ich bin Buddhist und folge Buddhas Lehren.«
Warum folgen Sie ihm, wenn Sie nicht religiös sind?
»Weil er klug ist.«
Und Nietzsche ist das nicht?
»Das war ein trauriger, ein negativer Mensch.«
Gibt es außer Buddha keine fröhlichen Klugen?
Jetzt wird es für Amano zu
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