Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters
und Männer zu entwickeln. Männer wie Frauen haben ein Recht auf eigene Tabletten, das macht Sinn – wenngleich man sich fragen darf, wie lange ein FDP -Gesundheitsminister braucht, um dies gedanklich nachzuvollziehen …
Von solchen Fragen ist es nicht weit zu den Überlegungen, ob es nicht unterschiedliche Nahrungsmittel für Frauen und Männer geben sollte. Bei einigen Grundnahrungsmitteln wie Würstchen oder Buletten gibt es diese Ausdifferenzierung schon in Form von Sojaprodukten (wobei irritierenderweise die Sojawurst dereinst vom jungen Konrad Adenauer erfunden wurde, obwohl der ja meines Wissens keine Frau war). Und beim Brot gibt es schon längst schwarz und weiß. Und – jetzt fällt es mir ein – alkoholfreies Bier ist ja auch schon lange auf dem Markt. Nun ist mir die Sache mit den Tees allmählich doch plausibel …
Aber es geht im herrschenden Ernährungsdiskurs ja nicht nur darum, dass es unterschiedliche Lebensmittel für unterschiedliche Menschen gibt und geben sollte. Es ist zugleich dringend notwendig, über das Essen zu reden. Hier haben die Frauen die Nase vorn und die Männer erkennbar Nachholbedarf. Sie agieren zumeist stumm (wir erinnern uns an das »Schweigen der Söhne«) nach primitiven Mechanismen: In einem ersten Schritt nehmen sie wahr, dass sie Hunger haben. Dann essen sie etwas. Und dann sind sie satt. Sollten sie wider Erwarten noch immer Hunger haben, essen sie einfach noch mehr. So lange, bis sie satt sind. Dann ist es vorbei mit dem Essen (und die Sensibleren von ihnen waschen sich hinterher sogar die Hände). Da machen es sich die Herren der Schöpfung aber zu einfach! Was ist mit ungesättigten Fettsäuren (und das sind keine Säuren, die noch Hunger haben, Herrschaften!)? Was mit Vitamin D? Oder den freien Radikalen? Na?
Mütter können solche Gedankenlosigkeit in aller Regel nicht hinnehmen. Sie müssen über diese Probleme reden, ihre Zeitschriften sind voll mit lauter Rezepten – vor Jahrzehnten waren das mal Rezepte für leckere Speisen, heute sind es Handlungsanweisungen für gesunde Ernährung. Und fester Bestandteil des Gesundheits-Ernährungsdiskurses ist die kollektive Essstörung, von der ja gerade Frauen in diesem Land betroffen sind. Zugleich habe ich den Eindruck, bei der Thematisierung kindlicher Ernährung geht es mehr um die Angst der Mutter, zu dick zu werden, als um die Heranführung des Nachwuchses an einen selbstbestimmten und damit durchaus auch genussbetonten Umgang mit Lebensmitteln. Ich hörte einmal von einem kleinen Mädchen, das sich eine Weight-Watcher-Packung in die Mikrowelle schob, um sich gesund zu ernähren. Zweifelsohne ein dicker Hund.
Da denke ich doch mit heimlichen Freuden an unseren Nachbarhund Carlos, der von seinem Herrchen gewichtsbewusst ernährt wird – eines Tages bekam Carlos selbstgemachte Gnocchi mit Gorgonzola-Sauce vorgesetzt. Meinen vorsichtigen Einwand, Gorgonzola-Sauce zähle eigentlich nicht zu den klassischen Schlankmachern (das zeigt, wie lange ich schon unter Müttern lebe, denn früher wäre ich nicht einmal auf den Gedanken gekommen, eine solche Bemerkung zu machen), konterte Carlos’ Herrchen – das übrigens beneidenswert gut kochen kann – mit dem Hinweis, es komme bei einem guten Essen doch nicht auf die Menge an, sondern auf die Qualität, oder etwa nicht? Recht hat der Mann. Aber: Was der Hund noch darf, kommt für uns längst nicht mehr in Frage. Aus allen Ecken (sogar von den Krankenkassen!) kommen Warnhinweise, was wir unbedingt zu uns nehmen sollten und was besser nicht: wenn Fleisch, dann helles, kein rotes, wenn Brot, dann Vollkorn, und so weiter. Meine ganzheitlich operierende Zahnärztin legte mir unlängst ans Herz, selbstverständlich auf Kaffee, aber auch auf Weizenmehl zu verzichten. Ich bat sie, einfach meine Zähne nur in den Zustand zu versetzen, dass ich mühelos in ein ordentliches Brötchen beißen könne – seither behandelt mich übrigens ihre Kollegin, mit der ich deutlich weniger über den Verzehr von Grundnahrungsmitteln zu sprechen pflege.
Zusammen mit der Frage der gesunden Ernährung hat zugleich die Angst am deutschen Esstisch Platz genommen: die Angst vor einer Lebensmittelunverträglichkeit. Für uns mag das noch wenig vertraut sein, für unsere Kinder ist es längst etwas Selbstverständliches. Dies lässt sich sprachlich hübsch nachvollziehen, denn hier wächst eine ganze Generation mit einer Frage heran, die unseren Eltern und Großeltern vollends fremd gewesen wäre:
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