Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters
»Darfst du das?« Anders: »Bist du dagegen allergisch?« Lebensmittelunverträglichkeiten sind heute das tägliche Vollkornbrot der Kleinen. Oft genug habe ich regelrecht Angst davor, ich könnte einem Spielkameraden eines meiner Söhne am Nachmittag unwissentlich etwas in die Hand drücken, auf das dieser allergisch reagiert. Eine Stulle mit Omas selbst gemachter Marmelade – was weiß ich, was Schwiegermutter da in Wirklichkeit alles hineinrührt? Selbst gebackener Kuchen – vor allem Nüsse sollen doch hochallergen sein! Ein Stück Fleischwurst auf die Hand – nachher soll das Kind vegetarisch groß werden, und ich bringe es leichtfertig auf blutige Abwege!
Bei bestimmten Festen (etwa im Kindergarten) sind die Eltern längst angehalten, dem mitgebrachten Salat oder Kuchen kleine Schildchen beizugeben, auf denen die Inhaltsstoffe stehen. Wegen der vielen Allergien bei den Kindern. Und längst tun wir das fleißig, wiewohl mich manchmal der Zweifel beschleicht, ob das mit diesen Allergien nicht irgendwie auch eine Macke der Erwachsenen ist. Als ich unlängst Freunde besuchte und mir zur Begrüßung ein kleiner fröhlicher Hund entgegensprang, fragte man mich, ob das okay sei, wenn der Vierbeiner in der Wohnung bliebe – vielleicht hätte ich ja eine Hundeallergie. Was es alles gibt – beziehungsweise nicht gibt. Denn unlängst hielt ich wieder einmal die »Süddeutsche Zeitung« in der Hand (das kommt bei meinem Zeitbudget nicht regelmäßig vor) und las pflichtbewusst einen Artikel über Nahrungsmittelallergien. Rund 20 Prozent aller Deutschen glauben demnach, sie reagierten allergisch auf ein oder mehrere Lebensmittel. Ein Allergologe namens Jörg Kleine-Tebbe vom Allergie- und Asthma-Zentrum Westend in Berlin (existiert eigentlich in Deutschland eine Agentur, die sich mit dem Erfinden von Institutsnamen eine goldene Nase verdient? Im nächsten Kapitel – ich nehme das hier schon einmal vorweg – werden wir auf das Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig treffen) gibt allerdings zu bedenken, dass es sich hierbei zumeist um eingebildete Kranke handelt: »Nach gründlicher Untersuchung bleiben aber nur ungefähr zwei Prozent übrig, die eine echte Lebensmittelallergie haben« – von 100 Deutschen wähnen sich also 20 als Allergiker, doch 18 von diesen irren sich.
Freitags ist bei uns in der Nähe Bio-Wochenmarkt. Wann immer möglich, besuche ich ihn, gerne mit unseren Söhnen. Beim Stand des Schlachters erhalten auch die Kleinen in ihrem Buggy immer ein ordentliches Würstchen (nicht so ein kleines Stückchen Fleischwurst wie bei den geizigen Großstadt-Metzgern, sondern ein richtiges Wiener Würstchen). Wenn sie dann niedlich in ihrer Karre sitzen und vergnügt speisen, spüre ich die Blicke der Mütter um mich herum – und fühle mich irgendwie etwas schuldig.
DAS KIND SPRICHT …
Wer das Glück hatte, den Film »Ein Fisch namens Wanda« sehen zu können, wird sich wohl immer an die Szene erinnern, in der sich Archie (der Jurist) mit einem virtuosen Striptease auf das Schäferstündchen mit der hinreißenden Wanda vorbereitet – begleitet von der lautstarken Wiedergabe seiner vermeintlichen Italienisch- und Russisch-Kenntnisse. Die nämlich haben auf erwähnte Wanda eine erkennbar aphrodisierende Wirkung. Sollte jemand den Film nicht gesehen haben, muss er sich an dieser Stelle mit dem vergleichsweise nüchternen Hinweis zufriedengeben, dass das Leben bunter und abwechslungsreicher ist, wenn man eine oder mehrere fremde Sprachen spricht. Fragt sich an dieser Stelle, welcher Weg dahin für unsere Kinder der richtige ist. Denn wir wollen als verantwortungsbewusste Eltern dem Nachwuchs ja alle nur erdenklichen Türen öffnen.
Hier greift die Zauberformel von der frühkindlichen Bildung. Seit Jahren schon geistert diese Forderung durch deutsche Kindergärten und Kinderzimmer, Eltern werden auf alle nur erdenklichen Chancen hingewiesen, die ihr noch so kleiner Wurm dereinst auf dem sich ständig wandelnden Arbeitsmarkt der globalisierten Gesellschaft haben werde, wenn sie nur früh genug die richtigen Weichen stellen. Die Eltern sollten früh und beherzt handeln! Bloß nicht bis zur Schule warten, schon gar nicht sich auf diese verlassen. Jeder ist da seines Glückes Schmied. Soll ich denn jetzt mit meinen Kindern Chinesisch sprechen? Ja, warum nicht? Nur angesichts des Primats frühkindlicher Bildung wurde für mich verständlich, was einige Mütter um mich herum
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