Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters
vielleicht gar nicht so sein wie »die anderen Mütter«? Männer neigen ja zuweilen zum Jammern – machte auch ich mich in dieser Hinsicht verdächtig? War ich überhaupt eine richtige Mutter, wenn ich nicht mit zwei kleinen Kindern die Schuluntersuchung des dritten gemanagt bekam? Wartete hinter der schnöden staatlichen Anordnung vielleicht nur meine persönliche mütterliche Reifeprüfung? Würde ich sie bestehen?
Ich bestand sie nicht – meine Frau übernahm während ihrer Arbeitszeit die Kleinen, während ich dann folgsam mit dem Ältesten zur Schulärztin pilgerte (morgens um acht). Doch von einer Niederlage möchte ich nicht sprechen, denn gleichwohl nahm ich dies als Anstoß, etwas gründlicher über das Thema Arbeit und Mütter nachzudenken. Zunächst fiel mir selbstverständlich der deutsche Protestantismus ein. Denn auch wenn wir diesen fairerweise nicht für alle geschichtlichen Fehlentwicklungen verantwortlich machen dürfen, so hat er doch uns Deutschen die kolossale Überschätzung der Arbeit in die Wiege gelegt. Etwas verkürzt gesagt, arbeiten wir seit Luther und einigen anderen gestrengen Gesellen umso härter, weil uns dann der Platz im Himmelreich sicherer ist. Nun ist das mit dem Himmelreich ja bekanntlich eine ziemlich unsichere Angelegenheit, weshalb sich auch die meisten Protestanten von der Idee weitgehend verabschiedet haben. Aber das mit der Arbeit ist uns allen geblieben. Und so sind die Deutschen sehr fleißig – und darauf sind sie auch noch furchtbar stolz.
Die Sache hat allerdings den einen oder anderen Nachteil. Nicht nur den, dass nicht alle für ihre Arbeit auch angemessen bezahlt werden (aber das gehört hier nicht hin), sondern auch die strukturelle Benachteiligung der Mütter: Die sind nämlich in dieser Arbeitsgesellschaft die Angeschmierten. Nicht nur weil sie in diesem Land immer noch weniger verdienen, nur weil sie Frauen sind, sondern weil sie einer spezifisch bundesrepublikanischen Lebenslüge aufgesessen sind, die so famos konstruiert ist, dass man sie nicht besser erfinden könnte. Es ist die Lebenslüge von der angeblichen »Vereinbarkeit von Familie und Beruf«.
Wie diese Formel in unsere Welt kam, lässt sich wohl nicht mehr genau rekonstruieren. Aber vermutlich drang bei ihrer Formulierung aus den Hinterzimmern der Macht ziemlich schäbiges Lachen, Männer-Lachen nämlich. Die Jungs sahen sich nämlich zu diesem Zeitpunkt einer wachsenden Zahl von selbstbewussten Frauen gegenüber, die immer lauter erklärten, sie wollten nicht mehr nur Kinder und Küche. Sie wollten jetzt auch (nein, nicht Kirche) ihre Arbeit. »Wir wollen nicht mehr auf das häusliche Leben reduziert werden«, sagten die Frauen, »wir wollen uns auch beruflich verwirklichen.« Die Männer sahen, dass sie etwas unternehmen mussten, und kamen auf eine teuflisch geniale Idee. Sie traten vor die Frauen und erklärten: »Wir verstehen euer Anliegen! Mehr noch: Ihr habt recht mit euren Forderungen! Und deshalb erklären wir, dass ihr ab sofort für Familie u n d Beruf zuständig sein dürft!« Da brach Jubel im ganzen Lande aus, die Frauen lachten und tanzten, und die Männer standen (wie immer beim Tanzen) ein wenig abseits und lächelten wissend in sich hinein.
Nur wenige Jahrzehnte später ahnten die Frauen, warum die Männer seinerzeit so gegrinst hatten: Sie hatten ihnen ein klassisches Danaer-Geschenk gemacht. Inzwischen wussten die Frauen aus leidvoller Erfahrung, dass es eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf in dieser Form gar nicht geben konnte, sondern nur eine schlichte – wenngleich recht schmuck verpackte – Doppelbelastung. Millionen Frauen waren nun in den Büros und Geschäften angestellt – halbtags und halbwertig. Der Chef sucht mit stoischer Regelmäßigkeit immer dann nach ihr, wenn sie nicht da ist (»Seit Jahren habe ich mittwochs meinen freien Tag, aber er fragt genau an diesem Tag, wann ich denn überhaupt mal im Büro sei«). Bei Kunden und Mitarbeitern sind ihre Kinder die Standardentschuldigung; selbst wenn keines der Kleinen Windpocken hat (und sie deshalb zuhause bleiben muss), sondern sie nur mal schnell aus dem Zimmer ist, um aufs Klo zu gehen, heißt es doch: Vermutlich muss sie sich um ihre Kinder kümmern. Die Ärmste. Und bei dem zentralen sozialen Großereignis eines jeden Büroalltags – der gemeinsamen Mittagspause mit dem womöglich gemeinsam eingenommenen Mittagessen – ist unsere Mutter in aller Regel nicht mehr zugegen. Sie ist längst wieder auf
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