Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters
dem gehetzten Rückweg, um noch rechtzeitig den Nachwuchs aus Kindergarten und Schule abzuholen. Die Mutter als Teilzeitkraft erscheint also schlicht als unzureichende Arbeitskraft.
Daheim angekommen, beginnt dann der zweite Teil dieser defizitären Existenz: Die Halbtagsmutter nimmt ihre familiäre Arbeit auf, oft genug mit der Zubereitung des Mittagessens für die Kleinen; sie sorgt für Haushalt und Einkauf, kümmert sich sodann um den Termin- und Hausaufgaben-Wahnsinn für die Lütten und selbstverständlich noch um die gesamte Organisation aller sozialen Termine. Was am Abend an Erfahrung bleibt, ist das Äquivalent zur Wahrnehmung als unzureichende Arbeitskraft im Büro: Die Mutter hat das Gefühl, daheim nicht alles so geschafft zu haben, wie sie es vielleicht gerne geschafft hätte. Aber die Mutter leidet und schweigt. Und die Gesellschaft ist ja keineswegs undankbar: Wenn die Mutter die Doppelbelastung lange genug durchhält, spendiert ihr die Krankenkasse vielleicht einmal eine Mutter-Kind-Kur auf Norderney. Was will frau mehr?
Beachtlich ist bei dieser Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit der Umstand, wie sehr sich der Rest der Gesellschaft bei der Forderung nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf um das Wohl der Mütter kümmert – die braucht das fast gar nicht mehr selbst zu tun. So legte die Bundesregierung im Jahr 2011 einen Regierungsentwurf für ein Fachkräfte-Konzept vor, wonach Mütter den Mangel an Fachkräften lindern sollen. 1,2 Millionen Mütter wurden ausgemacht, die bislang nicht arbeiteten – die ließen sich durch bessere Angebote für die Kinderbetreuung sowie durch Modelle, um Familie und Beruf zu vereinbaren, als zusätzliche Arbeitskräfte gewinnen. Dass an solchen Plänen so lustige Vögel wie Rainer Brüderle oder Philipp Rösler mitwirken, macht das Ganze vielleicht unterhaltsamer, aber konsequent ist das selbstverständlich noch nicht – noch scheuen sie und andere sich vor der klaren Arbeitspflicht für Mütter, wenn der Staat das gerade braucht (etwa weil die Jungs wieder die Kohle ganzer Generationen an der Börse verzockt haben). Früher mussten die Muttis doch auch ein paar Jahre zum Munitiondrehen in die Fabriken. Da wurde auch nicht groß diskutiert, ob einem das nun passt oder nicht! 2011 sorgte ein Urteil des Bundesgerichtshofs für Beachtung, das zeigte, was das neue Unterhaltsrecht für alleinerziehende Mütter bedeutet: Die haben nur noch bis zum dritten Geburtstag einen garantierten Anspruch auf Unterhaltszahlungen, danach müssen sie nachweisen, dass sie wegen des Kindes nicht Vollzeit arbeiten können. Für das Kind gibt es Kindergarten und Hort, für Mutti die volle Stelle (natürlich nur, wenn Brüderle oder Rösler irgendwo gerade eine gefunden haben). So richtig Arbeitspflicht ist das noch nicht. Aber immerhin: Das ist doch ein Anfang! Weiter so! Was haben wir gelacht!
MAMA MACCHIATO
Bleiben wir beim Thema. Eigentlich wollte ich ja eine kleine Geschichte über die Café-Mütter schreiben, über jene also, die in den Vormittagsstunden in unseren Einkaufszentren oder in den angesagten bürgerlichen Gegenden die Cafés bevölkern – und zwar mit ihren Kindern. Je kleiner, desto besser (also die Kinder). Da sitzen sie – in der Regel mit anderen Müttern – beim Latte Macchiato und tratschen. Und die süßen Kleinen schlafen in ihren Wägelchen, versuchen verzweifelt, durch allerlei kleine Spielchen die Aufmerksamkeit der Mutter zurückzugewinnen, oder werden auch schon mal an die hauseigene Spielecke verwiesen (»Geh mit Sören mit, da hinten könnt ihr schön mit Duplo spielen«). Wir alle kennen diese Szenen: Die Kinder wollen nicht ins Café, ihre Mütter können nicht anders. Das kann anstrengend sein – für alle.
Früher dachte ich, diese Mütter müssten doch Angst vor irgendeiner Leere in ihrem Leben verspüren – einen Horror vacui spezifisch mütterlicher Ausprägung sozusagen. Weil sie weder mit sich noch mit ihrem Kind etwas anzufangen wissen, fliehen sie halt ins Café. Oder vielleicht, weil sie daheim niemanden haben – keine Familie, keinen Partner, keine anderen Kinder, keine Nachbarn. Oder weil es in ihrer Nähe kein IKEA gibt. Warum sonst bitte schön sollte jemand auf den Gedanken kommen, mit einem Säugling über eine Stunde in einem bescheuerten Durchschnitts-Café zu verharren? Dabei trinken sie doch oft genug gar keinen Kaffee, weil sie ja noch stillen, sondern irgend so ein koffeinfreies milchiges
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