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Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters

Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters

Titel: Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tillmann Bendikowski
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über Wochen und Monate durchlöchert; das Handy hat sie ausgeschaltet. Zuweilen trägt sie auch bei bedecktem Himmel eine tiefschwarze Sonnenbrille, weshalb sie vor allem bei nachlässig gekämmten Haaren unfreiwillig ein bisschen an die missmutige Verena Becker auf den alten RAF -Fahndungsplakaten erinnert.
    Die großstädtisch Pausierende: Ihr Schieben ist ein Sitzen: Diese Mutter sitzt im Café, bestellt ihren Soja Latte und hofft, dass das Kind im Wagen noch möglichst lange schläft. Mit ihrer Freundin spricht sie nach meinem Empfinden ein wenig zu spöttisch über die berufstätigen Mütter und dann doch wieder ernster über die Frage, in welcher Farbe sie gern das Wohnzimmer streichen würde (wenn ihr Mann da nicht so bockig wäre). Ansonsten würde sie am liebsten auf dem Land leben, so wegen der Luft und der Menschen und der Einfachheit und so (dass es da zuweilen furchtbar weit ist bis zum nächsten Soja Latte, ist ihr wahrscheinlich nicht gegenwärtig). »Aber nach Berlin würdest du auch gehen, oder?« »Nach Berlin? Klar! Sooo-fort!«
    Die Rasende: Schnell hingucken heißt es bei dem rasenden Typus, der den Kinderwagen als Sportgerät interpretiert und mit dem wehrlosen Nachwuchs zum Joggen aufbricht. Diese Zeitgenossen sind ordentlich durchgestylt und schieben ein sportliches Dreirad-Modell mit großen Rädern vor sich her. Richtig entspannt wirken sie allerdings nicht (und für die Kinder ist das Durch-die-Welt-Rasen vermutlich mit Fernsehen zu vergleichen – Entschleunigung im Kindesalter geht jedenfalls anders); im Grunde fliehen sie vor dem Alter oder der häuslichen Langeweile. Allzu oft vor beidem.
    Der Abwesende: Nur Männer scheinen indes in der Lage zu sein, einen Kinderwagen zu schieben und dabei glaubhaft den Eindruck zu erwecken, sie seien gerade woanders und mit etwas furchtbar Wichtigem beschäftigt (etwa verunsicherten Rentnern hemmungslos irgendwelche Schiffsanleihen zu verkaufen, die erst in 30 Jahren erste Gewinne abwerfen). Wer dem Abwesenden lange genug zuschaut, hat in bestimmten Momenten Angst, er und das Kind könnten beim Überqueren einer Straße verunglücken, weshalb die Mutter ihn auch nur in absoluten Ausnahmefällen allein mit dem Nachwuchs rauslässt.
    Der Bemühte: Der bemühte Typus – ebenfalls ein Mann – ist da ein ganz anderes Kaliber: Er schaut permanent auf den Nachwuchs, muss sich zuweilen bücken, um unter das Verdeck sehen und ihn kontrollieren zu können – er ist mit gewissen Abstrichen die männliche Variante der »Stolzen«, verfügt aber nicht über deren Souveränität. Bei Engpässen auf dem Bürgersteig manövriert er demonstrativ aufwendig, zieht dabei die Augenbrauen hoch und schüttelt zuweilen wissend-mitleidig, aber kaum wahrnehmbar den Kopf, wenn die Mitmenschen wieder einmal nicht so clever agieren, wie er es erkennbar mit dem Kinderwagen tut. Und niemand setzt an Bürgersteigkanten die Räder des Gefährts so behutsam auf wie er. Im Grunde seines Herzens ist der Bemühte ein zutiefst unsicherer Vater, aber weithin harmlos.
    Ach ja: Eine wirklich gute Mutter verwendet ohnehin nur das Tragetuch …

DAS LEBEN IST KEIN KINDERGEBURTSTAG
    Haben Sie zuweilen das Gefühl, dass Sie die falschen Leute kennen? Ich weiß, nach einiger Zeit vergeht es wieder, und man bewegt sich ganz entspannt im gewohnten Kreis von Freunden, Bekannten und Arbeitskollegen. Aber könnte dieser Zweifel nicht ein leiser Gruß aus weit entfernten Kindertagen sein? Könnte es sein, dass Sie sozusagen frühkindlich ein gestörtes Sozialverhalten eingeübt haben? Womit wir mit ein wenig gedanklicher Leichtigkeit beim in vieler Hinsicht schwierigen Thema Kindergeburtstag wären. Noch vor wenigen Jahren hätte ich es nicht geglaubt, aber ein solcher Kindergeburtstag hat in vieler Hinsicht massiven Zwangscharakter. Dazu zählt der Zwang, bestimmte Kinder einladen zu müssen – auch wenn das Geburtstagskind das vielleicht gar nicht will. Stimmt nicht? Ach was.
    Jede Mutter kennt das: Der Geburtstag naht, und die Gästeliste wird entworfen. Jedes Kind hat da Wünsche, und zwar immer zu viele. Die weithin akzeptierte Faustregel hilft hier weiter, dass pro absolviertem Lebensjahr ein Kind eingeladen werden darf. Das setzt der Veranstaltungsgröße den erhofften Rahmen, sorgt aber im Vorfeld für heftige Debatten, wen das Kind denn nun einladen darf und wen nicht. Wer schon im Kindergartenalter offiziell von einer Erziehung zur Freiheit spricht, wird spätestens jetzt zum Despoten:

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