Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters
Gemüseladen und Änderungsschneiderin eine Mutter mit zwei kleinen Kindern, sagen wir einmal ein Jahr und drei Jahre alt. Der Größere tobt energiegeladen um sie herum, das Kleine weint, die Mutter hat Ränder unter den Augen. »Das finde ich ja toll«, würde ich sie begeistert ansprechen. »Sie kümmern sich also zuhause um die Kinder? Schaffen Sie das denn? Kochen und Wäsche waschen? Haben Sie wenigstens eine Hilfe im Haushalt, oder machen Sie alles allein? Und das mit den Windeln – ist Ihnen das nicht zu viel? Nein? Toll! Ganz großartig! Ihr Mann muss doch wa-a-a-h-nsinnig stolz auf Sie sein.« Längst wird sie mich mit großen, vielleicht erschrockenen Augen anschauen. Dann versucht sie, mit Karre und Kindern abzudrehen. »Also ich bewundere Sie«, kann ich der Flüchtenden noch hinterherrufen. »Ganz ehrlich, i c h bewundere Sie!« – Nein, ganz ehrlich, so einen Auftritt dürfte ich nicht hinlegen, wollte ich nicht sozial auffällig werden. Kann ich aber auch gar nicht, weil ich ja nicht derjenige bin, der eine andere Mutter anspricht. Ich bin die Mutter, die angesprochen wird. Und für die stellt sich eine solche Situation zwangsläufig anders dar, vor allem, wenn sie ein Mann ist.
»Sie kümmern sich also zuhause um die Kinder?« So bin ich erst unlängst wieder angesprochen worden, als ich mit unseren drei Jungs von Geschäft zu Geschäft bummelte. Nun bin ich ja schon ein paar Jahre im Mutter-sein-Geschäft, weshalb ich mir ein gewisses Entspannt-und-locker-Wirken angewöhnt habe. »Ja, klar, macht doch Spaß«, antworte ich dann immer, wohl wissend, dass es eigentlich einer Mutter keinen Spaß macht, drei kleine Kinder samt Haushalt und schwer schuftendem Ehemann zuhause zu haben. »Schaffen Sie das denn? Kochen und Wäsche waschen?« Auch das Problem lächele ich klein, gebe aber zu, dass ich in der Tat eine Hilfe im Haushalt habe (dass die gleich zweimal in der Woche kommt und ich ohne sie absolut hilflos wäre, verschweige ich indes). So ernte ich mein finales, nur allzu angemessenes Lob: »Ganz großartig! Ihre Frau muss doch wa-a-a-h-nsinnig stolz auf Sie sein.« Bescheiden lächele ich: »Ja«, sage ich leise, »das ist sie wohl ein wenig.« Schönen Tag noch, der Vater verbeugt sich vor dem dankbaren Publikum, klaubt die Blumen auf und tritt ab.
So weit, so gut – wenn man denn auch nur ein wenig narzisstisch veranlagt ist. Aber die Sache ist selbstverständlich doch wieder ein bisschen komplizierter. Und: Es gibt einen Abgrund, und der tut sich nach meiner Erfahrung hinter der Frage nach den Windeln auf: »Und das mit den Windeln – ist Ihnen das nicht zu viel? Nein? Toll! Ganz großartig!« Was ist denn das bloß für ein vergiftetes Lob? Was soll denn an den Windeln – gemeint ist ja wohl die Anwendung – schwierig sein? Kind hinlegen, Hose aus, Body auf, alte Windel ab, gegebenenfalls etwas wegwischen, neue Windel drum, alte in den Müll (notabene: Zinksalbe auf den wunden Po). Weshalb sollte mich das überfordern? Bin ich blöd? Oder sehe ich so aus? Nun werden manche sagen, ich solle mich bitte nicht so anstellen, und irgendwie haben sie ja auch recht. Aber bevor wir uns weiter in der Erkenntnis suhlen, dass es Männer als Mütter leichter haben, will ich zumindest festhalten, dass sie in ihrer Rolle unter einem permanenten Unfähigkeitsverdacht stehen. Von der Windelfrage einmal abgesehen denke ich nur an meine erwähnte winterliche Spießrutenfahrt mit dem Kinderwagen, die mir ältere Damen mit ihren Ratschlägen bescherten. Wie schnell Mütter in diese Unfähigkeitsverdachtsfalle stürzen können, musste ich vor einiger Zeit selbst erleben: Ich saß alleine in einem Linienbus (Wo waren da eigentlich meine Kinder gerade? Na, egal), als ich einen jungen Vater mit einem Kinderwagen einsteigen sah. Ich sah ihn mit dem Gefährt ungeschickt rangieren, hörte bald darauf den Säugling weinen und beobachtete die mehr oder weniger (also eigentlich: weniger) erfolgreichen Trostversuche des Vaters. »Na«, dachte ich, »ob er als Mann das wirklich schafft?« Noch heute schäme ich mich für diesen stummen Verrat am eigenen Geschlecht.
Kommen wir also lieber zu den erfreulichen Dingen des Lebens und damit zu der wärmenden Erkenntnis, dass Männer es als Mutter doch leichter haben. Von den Komplimenten anderer Frauen (und keineswegs nur von Müttern) sind sie irgendwann verwöhnt und weiten die Bedeutung ihrer bei Lichte betrachtet ja gar nicht so besonderen Existenz immer weiter aus.
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