Alleinerziehend mit Mann
Meter Entfernung mehr Mütter ihren Jungs im Vergleich zu den Mädchen gleichen Alters erlauben. Niemals, so war mir damals klar, würde ich dies und noch viel mehr zulassen!
»Was für eine himmelschreiende Ungerechtigkeit!«, empörte sich auch mein damaliger Lebensgefährte und heutiger Mann.
Unser Bewusstsein der geschlechtsspezifischen Sozialisation übersteht die erste Entbindung, Stillzeit und frühkindliche Prägung. Lukas bekommt zum zweiten Geburtstag eine Kinderküche geschenkt. Er schaut sich das Plastikmonstrum an und beginnt, sich mit dem Werkzeug meines Mannes ans Werk zu machen – er müsse die darin befindliche Waschmaschine reparieren, verkündet mein sich zu jener Zeit noch ausschließlich für seine Eltern verständlich artikulierender Sohn. Am nächsten Tag repariert er den Herd, danach den Backofen, voll kindlicher Freude, das Geschenk ist eine Woche lang ein Hit. Nachdem alles repariert ist, interessiert es meinen Sohn nicht mehr, und ich bringe die Kinderküche irgendwann in den Keller.
»Das ist doch erstaunlich!«, meint mein Mann, als Lukas bei den Großeltern ist, Eva noch nicht geboren, wir ausgehen und uns über außer-alltägliche Themen zu unterhalten begannen. »Er sieht doch, wie wir jeden Tag zusammen kochen!«
Ich will keine Erbsen zählen, aber wir kochen nicht
jeden
Tag zusammen. Fast immer koche ich, maximal einen Tag in der Woche kocht mein Mann. Aber gut, die Grundtendenz stimmt: Mein Mann kocht auch. Lukas hatte also durchaus ein männliches Vorbild am Herd. Trotzdem bereitet er nicht ein einziges Mal Speisen in der Kinderküche zu. Und »Onkel Michael«, unser kinderloser Freund, den unser Sohn grenzenlos bewundert, bekocht seine Frau tatsächlich jeden zweiten Tag.
Irgendwann kommt die Kinderküche aus dem Keller wieder in die Wohnung. Eva ist schon mobil und bringt mit der größten Zärtlichkeit Lukas’ Autos abends ins Bett, deckt sie mit Stofftaschentüchern zu, gibt ihnen ein Gutenachtbussi und versichert ihnen, wie lieb sie ihr seien. In meinem übermüdeten Kopf gibt es längst kein Bewusstsein von Studien zur Sozialisation mehr. Bis zu dem Zeitpunkt, als ich meine Tochter die Kinderküche bespielen sehe. Zusammen mit meinem Mann. Er lobt unsere Tochter heftig dafür, wie sie sich um das Essen bemühe, wie liebevoll sie uns das Kindergeschirr auf den Tisch räume und wie wunderbar ihre Bemühungen um eine gefüllte Waschmaschine fruchteten. Mir flüstert er dazu mit leuchtenden Augen ins Ohr, dass es doch nichts Schöneres auf der Welt gebe, als in ein Spiel versunkene Kinder. Und wie gerne gehe er auf das Rollenspiel mit seiner Tochter ein, endlich eins, das er als Vater auch mit der Tochter spielen könne, sonst seien es ja nur so »männlich geprägte« Spiele mit Lukas.
»Bitte noch einen Kaffee!«, ruft er Eva zu, schlürft laut hörbar den imaginären Rest aus der Tasse aus und streckt ihr das leere Kindergeschirr zu. Eva juchzt und beeilt sich, Papa eine neue Tasse Kaffee zu bringen.
Ungläubig starre ich auf die Szene, und ein tief sitzender Groll bahnt sich seinen fassungslosen Weg nach oben. Übt mein Mann jetzt mit meiner Tochter ein, wie sie später die Herren zu bedienen hat? Nein, um Himmels willen, denke ich, meine Tochter soll es »später einmal besser haben als ich«. Nein, um Himmels willen, denke ich weiter, sagte das dereinst nicht auch meine Mutter zu mir? Nein, um Himmels willen, schießt es mir weiter in den Kopf, Eva hat sich doch freiwillig für dieses Spiel entschieden, ebenso wie Lukas für die Autos – wir haben doch die Rolle der geschlechtsspezifischen Erziehung vorher nur fürchterlich überschätzt!
Trotzdem gehe ich nach der Kinder-Küche-Kaffee-Szene zu Lukas ins Zimmer und herrsche ihn an: »Ab morgen hilfst du mehr im Haushalt mit. Du räumst jetzt jeden Tag das Geschirr ab!«
Die ganze Familie starrt mich entsetzt an, und ich glaube zu hören, wie mein Mann Lukas ins Ohr flüstert: »Ich glaub, sie hat ihre Tage!«
Na bitte! Wenn das auch zum Rollenspiel gehört, werde ich das künftig auch ausleben! Eva braucht schließlich auch ein Vorbild spontaner weiblicher Aggressionen!
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30. Bringschuld
M ein Mann ist ein Lehrling in lösungsorientiertem Verhalten, ein Geselle der Worte und ein Meister der Versprechen. Im Laufe der Jahre habe ich dies einzuschätzen gelernt. Wider besseres Wissen liebe ich ihn trotzdem und werde ihn nicht verlassen. Die Kurzfassung dieser meiner Partnergeschichte mit Kind
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