Alleinerziehend mit Mann
lautet so:
»Wenn Lukas erst einmal in den Kindergarten kommt, dann stehe ich auch in der Früh rechtzeitig auf und bringe ihn hin.«
»Wenn Lukas erst einmal in die Schule kommt, dann stehe ich auch in der Früh rechtzeitig auf und bringe ihn hin.«
»Wenn Lukas erst einmal aufs Gymnasium kommt, dann stehe ich auch in der Früh rechtzeitig auf und bringe ihn hin.«
Unser Sohn lässt sich mittlerweile nirgendwo mehr hinbringen, er will seinen Weg alleine gehen.
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31. Blumengießen bei Kinderlosen
U nsere neuen Nachbarn, ein kinderloses Paar, sind sechs Wochen in Urlaub gefahren. Nach Kirgisien. Kirgisien – bei dieser Ortsangabe hätte sich eigentlich die Beifügung »ein kinderloses Paar« erübrigt. Kennt jemand eine Familie mit kleinen Kindern, die sechs Wochen Urlaub in Kirgisien macht? Also!
Da unser Budget und mein Nervenkostüm – das Thema Erholung und Urlaub an anderer Stelle – heuer nur für Ausflüge an die nächsten Badeseen reicht, habe ich mich gerne bereit erklärt, bei den Nachbarn Blumen zu gießen, den Briefkasten zu leeren und nach dem Rechten zu sehen.
Ich war noch nie in der Nachbarwohnung. Beim Betreten wird sofort klar: Hier wohnen keine Kinder. Es ist fein säuberlich geputzt, ein weißes Designersofa steht zwischen kunstvoll arrangierten Bodenvasen aus Porzellan, ein edler Perserteppich liegt vor einem chinesischen Tischchen und mehreren Gemälden zeitgenössischer Künstler. Neidvoll muss ich zugeben: Die Einrichtung hat Stil. Das Paar hat vermutlich tage- und wochen-, wenn nicht monatelang Möbelhäuser durchstöbert, Antiquitätenmessen besucht und bei eBay geboten. Während wir noch schnell ein Regal zwischen Bad und Flur klemmten, um Platz für Spielzeug und Windeln zu schaffen, ist hier alles ausgesucht, wohl proportioniert und keinesfalls dem Zufall oder gar der Eile des Alltags überlassen.
Und erst der Balkon! Fünfzehn Quadratmeter uneinsehbarer Südbalkon, der an die Gärten der Semiramis erinnert. Wilder Wein umrankt Rosenstöcke, Lavendel und unbekannte orchideenartige Gewächse. Tisch, Stühle und Sonnenschirm sind in südländischem Türkis gehalten, die Terrakottatöpfe passen stilecht dazu. Bei uns überlebt gerade mal ein Olivenbaum und eine japanische Fichte, die quasi ganz ohne Wasserzufuhr auskommen und in bunten Übertöpfen aus der Haushaltsauflösung meiner Tante stehen. Wir haben auch einen Südbalkon, aber wir haben unsere Wohnung samt Balkon mit Kindern bezogen.
Eine Espressokanne, italienischer Kaffee und eine Flasche Wein stehen mit einem freundlichen Zettel in der Küche – ich solle doch bitte beides benutzen, wenn ich schon so überaus hilfsbereit wäre, die gute Fee zu geben. Ha, was denken die sich eigentlich? Es ist einer der heißesten Sommermonate seit Beginn der Temperaturaufzeichnung. Ich muss bei dieser Bepflanzung jeden Tag zum Gießen kommen, wenn der Garten der Semiramis nicht verwildern und verkommen soll. Jeden Tag soll ich mir also vor Augen führen lassen, wie stilvoll es sich ohne Kinder wohnt! Unsere eigenen vier Wände gleichen überdimensionierten Kinderzimmern, in denen man über Puppen fällt und auf Legosteinen ausrutscht, von den Krümeln in allen Ecken und dem Wüsten-Flair auf dem Balkon gar nicht zu reden. Aber statt bei uns Ordnung oder gar Stil in meiner kostbaren Freizeit zu schaffen, bin ich nun in der Nachbarschaftspflicht gefangen! Nie wieder werde ich so bereitwillig einfach einem kinderlosen Paar einen Gefallen tun! Warum überhaupt übernehmen Nachbarschaftspflegschaften eigentlich immer Frauen und nie Männer? Ist das ein Naturgesetz? Und warum lasse ich mir als berufstätige Mutter von so einer kinderlosen Frau zumuten, jeden Tag eine Viertelstunde für ihre gestylte Wohnung abzuzwacken?
Beim zweiten Mal in der Wohnung weiß ich schon, was auf mich zukommt, und habe mehr als fünf Minuten eingeplant. Beim dritten Mal mutiert die tägliche Pflicht zu einer Entspannungspause zwischen Kinderlärm und Gattenanforderungen (»Schatz, lass doch mal
deinen
Haushalt sein und setz dich zu mir!«).
Schließlich freue ich mich auf die tägliche Entspannungsoase. Ich gieße, zupfe alte Blüten aus und binde den Wein neu fest. Danach gönne ich mir noch fünf Minuten Ruhe im Garten der Semiramis. Ein paar Tage darauf erweitere ich dieses tägliche Wellnessprogramm mit einer Tasse Espresso zu den fünf Minuten Auszeit auf dem Balkon. Bald schmuggle ich heimlich Lesestoff mit in die
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