Alleinerziehend mit Mann
weibliches Putz-Gen, das die Forscher vielleicht eines Tages auszumachen versuchen, lasse ich mir nicht weismachen! Dafür habe ich – trotz permanenter Übermüdung und chronischer Erschöpfung – noch genügend Skepsis im Hirn.
Da mich die biologischen Erklärungen nicht befriedigen, befrage ich die rein beschreibende Wissenschaft, also die Statistik. Die besagt:
Vor
der Geburt eines Kindes geben über 96 , 8 Prozent der Männer an, möglichst viel Zeit mit den Kleinen verbringen zu wollen, und 81 , 4 Prozent wollen das Kind »beaufsichtigen und betreuen«.
Nach
der Geburt verbringen Männer aber deutlich mehr Zeit im Büro als zuvor. Nach einer Studie des Bundesfamilienministeriums gaben sechsundfünfzig Prozent der befragten Männer ohne Kind an, sechsunddreißig Stunden und mehr pro Woche zu arbeiten. Bei Vätern mit einem Kind waren es fünfundsiebzig Prozent und bei Vätern mit zwei Kindern sogar zweiundachtzig Prozent.
Erliegen die Väter dabei ihrem eigenen Anspruch, regelmäßig möglichst dicke Halme fürs Nest anzuliefern und den Küken auch noch finanziell sorglose Ausflüge in die Welt bieten zu wollen, oder drücken sie sich vielmehr mit diesem Gehabe um das alltägliche Geschrei der Brutpflege und kehren erst dann heim, wenn die Küken friedlich abgefüttert Ruhe geben? Womit ich doch schon wieder bei biologischen Betrachtungen bin – in der Vogelwelt gibt es alle möglichen Modelle der Partnerschaft und Brutpflege. Manche Tiere, wie Uhus, leben monogam ein Leben lang zusammen und ziehen gemeinsam den Nachwuchs auf. Wieder anderes Federvieh kultiviert den One-Night-Stand und lässt die Männchen schon im Abflug ein Sorgerecht beziehungsweise eine Alimentenpflicht vergessen.
Die Natur gibt nicht wirklich Auskunft, und die Statistiken erklären nichts außer Absichten bei realem Handlungswiderspruch. Gibt die aktuelle Familienpolitik vielleicht eine Antwort? Immerhin sagt sie zumindest aus, dass in Ländern, in denen die Fremdbetreuung der Kinder unterstützt wird und als selbstverständlich erachtet wird (Frankreich, Schweden), die Geburtenrate pro Frau erheblich höher liegt als in Deutschland. Andererseits gibt es auch Länder wie Italien, in denen die Betreuung durch die »nonna«, also die Großmutter, eine Selbstverständlichkeit ist und in denen die Geburtenrate pro Frau noch unter der Deutschlands liegt.
Vielleicht sollte man deshalb zu dem Thema andere Geister befragen, Dichter und Denker beispielsweise. Doch wo findet sich unter den derzeitigen Intellektuellen schon ein Aufsatz zum Thema: »Warum Frauen als Mütter wieder am Herd stehen?« Ich jedenfalls finde nichts dazu … bis ich eines Abends auf einen Text stoße, der sage und schreibe schon über siebzig Jahre alt ist und dem Büchlein »Die Frau von morgen, wie wir sie uns wünschen« entstammt. Robert Musil schreibt darin: »Das, was man die neue Frau nennt, ist ein etwas verwickeltes Wesen: Sie besteht mindestens aus einer neuen Frau, einem neuen Mann, einem neuen Kind und einer neuen Gesellschaft. Ich muss gestehen, dass ich mir das hätte überlegen sollen, ehe ich die Aufgabe übernahm, über sie zu schreiben …«
Der Mann hat recht! Ich habe dem nichts hinzuzufügen!
[home]
27. Tante Sieglinde
T ante Sieglinde hat sieben Kinder aufgezogen, immer gearbeitet, und ihr Mann war ein Säufer!«
Ohne Zusammenhang ist das ein harmloser Satz. Eine reine Aussage über das Leben einer Verwandten.
Mein Mann aber äußert sich zu seiner Tante Sieglinde, nachdem ich ganz zusammenhanglos die Mehrfachbelastung heutiger Frauen und Mütter und insbesondere meiner Wenigkeit feststelle. »Was meinst du! Meine Tante Sieglinde hat sieben Kinder aufgezogen, immer gearbeitet, und noch dazu war Onkel Erich ein Säufer!«
»Tante Sieglinde, hat mir deine Mutter erzählt, hat nach dreiundzwanzig Ehejahren urplötzlich den Küchenschrank aufgemacht, das teuerste Service zuerst genommen und einen Teller nach dem anderen auf den Küchenboden geworfen. Danach hat sie Stühle durchs Fenster gejagt, das Sofa im Wohnzimmer mit einem Messer aufgeschlitzt, das Bücherregal deines Onkels umgestoßen, schließlich einen Koffer gepackt, die beiden noch im Haus wohnenden Kinder an die Hand genommen, ist schnurstracks zum Anwalt gegangen und hat die Scheidung eingereicht.«
»Gut, dass du mich daran erinnerst!«, erwidert mein Mann. »Mama hat noch eine Tasse aus Meißner Porzellan von ihr, die blieb bei dieser Aktion damals verschont, die wollte
Weitere Kostenlose Bücher