Alleinerziehend mit Mann
mit offenem Mund zu mir rüber (dringende Anmerkung für To-do-Liste: Gespräch mit dem Vater meiner Tochter über Tischmanieren, Vorbildfunktion beim Essen etc. pp. usw. usf. führen): »Wie lange ich bei den Pfadfindern war? Ach, so ein halbes Jahr oder so. Als ich vierzehn war.«
Aha. Halbes Jahr oder so. Als er vierzehn war. Ich blicke ihn an. Wie ich ihn kenne, war er mit vierzehn ungefähr dreimal dort – daraus ist dann im sanften Schimmer der Vergangenheitsverklärung ein halbes Jahr geworden. Das menschliche Gehirn ist ein sehr dehnbares Organ. Und das männliche ganz besonders. Das Einzige, bei dem mein Mann konstant seit der Wiege geblieben ist, ist Fußball. Egal in welcher Form, aber mittlerweile mehr passiv als aktiv. Mir ist schon klar, warum er mit vierzehn dreimal zu den Pfadfindern hin ist – gute Gelegenheit, Mädels anzugraben. So einen auf Naturbursche machen und so. Zieht ja heute noch – auch bei mir. Auch wenn ich stark bezweifle, dass mein Mann mit nur zwei Hölzern jemals ein Feuer entzünden könnte.
Mein Mann fuchtelt begeistert mit der Gabel in der Luft herum. Er habe sich schon erkundigt. Die Tochter seines Arbeitskollegen sei nämlich bei den Pfadfindern. Überhaupt habe ihn der Arbeitskollege wieder auf die Pfadfinder gebracht, weil er ihm vorschwärmte, wie gut es seiner Tochter getan habe, zu den Pfadfindern zu gehen. Ein ganz neuer Mensch sei sie geworden – die Tochter, mein ich. Die Tochter sei jetzt achtzehn und leite da eine Gruppe. Und Sophie könne da jederzeit teilnehmen. Montagnachmittags von zwei bis vier und donnerstags zur gleichen Uhrzeit.
Aha. Zweimal in der Woche. Von vierzehn bis sechzehn Uhr. Irgendwo in Schwabing. Ich bleibe völlig entspannt und hole mir noch eine kleine Runde Nudeln mit Soße.
Wir wohnen übrigens am Stadtrand, eine halbe Stunde von Schwabing entfernt – wenn nicht gerade Berufsverkehr herrscht.
Erschwerend kommt hinzu, dass Sophie – neben der Schule natürlich – bereits einmal in der Woche zum Tanzen, einmal zum Klavierspielen und einmal zum Reiten geht. Ein Programm, das für eine Siebenjährige mehr als ausreichend ist. Alles Weitere bewegt sich meiner Meinung nach dann langsam, aber sicher in Richtung Management-Kalender, und ich müsste eine Sekretärin einstellen, um all diese Termine zu koordinieren. Wie machen das eigentlich Frauen mit zwei Kindern? Man will ja dann beiden gerecht werden. Zweimal drei Termine in der Woche sind sechs Termine – die normale Arbeitswoche hat fünf Tage und das Wochenende leider auch nur zwei.
Ich mache mir den letzten Rest Soße auf die Nudeln, und dann blicke ich meinen Mann an: »Du, das mit den Pfadfindern finde ich eine super Idee. Ich bin sicher, Sophie wird da total viel lernen. Heutzutage kann man gar nicht früh genug damit anfangen zu lernen, wie man aus zwei Hölzern ein Feuer macht. Kann einem täglich das Leben retten. Toll, wenn du sie da zweimal die Woche hinbringst und wieder abholst.«
»Ich? Sophie? Hinbringen? Zweimal die Woche? Nun … ähm … also ich … du weißt doch, dass ich als Chef nicht einfach so an zwei Nachmittagen schon um vier Uhr Schluss machen kann. Was glaubst du, was in der Firma täglich los ist.« Meinem Mann fällt fast die Gabel aus der Hand.
Ich lächle, nein, strahle ihn an.
»Kannst du es nicht trotzdem einrichten? Die Firma gehört doch dir, und eigentlich bist du da ja flexibler als jeder andere Arbeitnehmer. Und für Sophie wäre es so toll. Du weißt, ich bring Sophie ja schon zum Turnen und zum Klavier und zum Reiten, und ich brauche einfach zwei lange Arbeitstage.«
»Ähm … ja … gut … ich schau mal in meinen Terminkalender. Das wird schon irgendwie klappen mit uns und den Pfadfindern, was Sophie?«
Schlurp.
Sophie blickt gar nicht erst hoch. (Muss wirklich dringend an Tischmanieren hier arbeiten – denke ich und schlecke den Finger ab, den ich gerade schnell mal in die Soße getunkt habe.)
Das erinnert mich an die letzte Idee meines Mannes vor etwa drei Monaten. Da wollte er, dass Sophie einen Kung-Fu-Kurs macht. Die Tochter des Freundes eines Bekannten von uns hat den angefangen. Echt phantastisch. Kung-Fu! Ich meine, ich habe selbst ja genügend asiatische Kampfsportfilme gesehen – natürlich nur die guten, künstlerisch wertvollen –, und dann habe ich selbst, als ich noch Single war, mal einen Tai-Chi-Kurs besucht. Und der Lehrer der Tochter des Freundes des Bekannten hat gesagt, Kung-Fu sei wie
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