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Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Alleingang: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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vorgekommen. Und sie hatte manchmal den Eindruck gehabt, dass der Junge Angst vor seinem Vater hatte. Obwohl Karl ihm dazu wirklich keinen Grund gegeben hatte. Wahrscheinlich war das überall so. Die Kinder hatten eine tiefe, biologische Bindung zur Mutter. Der Vater war der Ernährer. Der Erzeuger. Das männliche Prinzip. Etwas, was es aus Gründen der Balance geben musste. Aber eigentlich verzichtbar.
    Karl hatte eine Weile gebraucht, bis er damit klarkam. Wo er sich so bemühte um seinen kleinen Sohn. Wo er in jeder freien Minute mit ihm zum Meer ging, um ihm zu zeigen, was dort für Geheimnisse verborgen waren. Jeder andere Junge wäre vor Begeisterung dahingeschmolzen. Doch Felix hatte das alles nur höflich über sich ergehen lassen. Karl hatte Marie richtig leidgetan. Zum Glück war er niemand, der schnell aufgab. Er machte weiter. Und er kreidete es ihr nicht an, dass sie das Herz ihres Jungen so leicht eroberte.
    Manchmal war Marie richtig wütend auf den kleinen Prinzen. Dass er so ungerührt dabei zusah, wie sein Vater sich abrackerte. Karl war mit Felix im Boot raus zum Fischen gefahren. Welcher Vater tat das denn heutzutage noch? Er hatte es sogar arrangiert – Gott weiß, wie –, dass der Kleine einen mittelgroßen Dorsch aus der Ostsee hatte ziehen können. Und was hatte der kleine Herr abends gesagt, als Marie mit viel Brimborium seinen ersten selbst gefangenen Fisch auf den Tisch gebracht hatte? »Fischstäbchen wären mir lieber.«
    Karl war zum ersten Mal laut geworden: »Was glaubst du, aus welchem Meer die Fischstäbchen kommen?«
    Und der Junge hatte ernst geantwortet: »Aus der Südsee.«
    Marie war sich sicher, dass er wusste, was er sagte. Er wollte seinen Vater provozieren.
    Zum Glück war Karl nicht darauf eingegangen. Er hatte einfach ein Gespräch mit Marie begonnen. Ein Erwachsenengespräch.
    So etwas kam dann immer öfter vor. Felix wollte Karl zeigen, dass er eigentlich nicht gebraucht wurde. Marie hätte ihn deswegen ohrfeigen können.
    Doch dann war Karls Verlegung nach Kundus gekommen. Marie hatte befürchtet, der Junge würde die Nachricht unbeeindruckt aufnehmen. Kinder sind in solchen Dingen brutal. Das hatte Marie lernen müssen.
    Aber es kam ganz anders. Als Karl es ihm eröffnete, hatte er erst gar nichts gesagt. Dann war er aufgestanden und rausgegangen. Nach zehn Minuten hatte Marie nach ihm gesehen. Der Junge lag auf seinem Bett. Tief ins Kopfkissen verkrallt. Er heulte Rotz und Wasser.
    Obwohl er damals noch nicht verstand, was Kundus war. Noch nicht einmal von Afghanistan hatte er etwas gewusst.
    »Meinst du, mein Brief erreicht ihn?«
    »Bestimmt. Die Bundeswehr sorgt dafür, dass jeder Soldat seine Post bekommt.«
    »Wann kommt Papa wieder?«
    »Das weißt du doch: An Weihnachten.«
    »Wie lange noch?«
    »Nicht mehr lange.«
    Das Wasser kochte. Sie riss die Tüte auf und rührte den Inhalt in das Wasser ein. »Gleich gibt’s Essen.«
    Felix nahm Messer und Gabel und stieß sie rhythmisch auf die Tischplatte. »Wir haben Hunger … Hunger … Hunger!«

4.
     
    Nach dem Essen ging Felix auf sein Zimmer. Er wollte Hausaufgaben machen. Nachmittags trafen sich ein paar Jungen auf dem Sportplatz zum Fußballspielen.
    Marie ließ sich auf die Eckbank sinken, sobald Felix die Tür seines Zimmers hinter sich zugeschlagen hatte. Sie würde damit fertig werden. Irgendwie. Aber das verschob sie auf später. Zuerst ging es um ihren Sohn. Sie musste dem Kind sagen, dass sein Vater tot war, bevor es die Nachricht aus der Tagesschau erfuhr.
    Aber sie konnte es nicht. Nicht so ohne Weiteres. Wie machte man so etwas, ohne Schaden anzurichten?
    Marie gehörte zu den pragmatischen Müttern, die, wenn andere noch flennten oder hysterisch tobten, schon in schlauen Büchern blätterten und versuchten, das Problem mit Bedacht zu lösen. Das war ihre Art, mit den Dingen umzugehen, die ihre Kräfte überschritten.
    Was war zu tun?
    Sie brauchte Beistand. Nicht dabei, dem Jungen zu sagen, dass sein Vater tot war. Sie brauchte jemand, der sie darauf vorbereitete, es zu tun. Sie wusste, dass sie dabei alles falsch machen konnte. Es hing jetzt an ihr. Der Taliban, der den Wagen mit der Bombe gefahren und die Sache in Gang gesetzt hatte, hatte seinen Part erfüllt. Sicher war er tot. Ebenso durch die Detonation der Bombe zerfetzt wie Karl. Jetzt war Marie dran. Alles lag an ihr.
    Marie ging so etwas beherzt an. Sie brauchte einen Rat. Einen Rat von jemandem, der Erfahrungswerte hatte. Frauen wie

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