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Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Alleingang: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Dessen war sie sich sicher gewesen. Bis eben.
    Sie hatte Karl damals regelrecht abblitzen lassen. Und es war nicht das erste Mal gewesen. Insgeheim nahm sie ihm nämlich doch übel, dass er sich zu diesem Einsatz gemeldet hatte. Auch wenn er behauptete, er hätte es für sie und den Jungen getan.
    Als er weg war, hatte sie es bereut. Vielleicht hätte es ihm geholfen, wenn sie mit ihm über seinen Tod gesprochen hätte. Aber Marie hatte ihm ja schlecht sagen können, dass etwas ganz anderes sie so ängstigte, dass sie nachts oft nicht hatte schlafen können.
    Nicht die Vorstellung, dass Karl getötet werden könnte. Daran glaubte sie nicht.
    Aber die Vorstellung, dass Karl jemanden töten könnte. Dass bei einer dieser ›Aktionen‹, wie die Bundeswehr das nannte, unschuldige Zivilisten sterben konnten. Marie wusste mittlerweile, dass das ständig geschah. Vor allem bei der Operation Enduring Freedom , dem von den Amerikanern geleiteten Kampfeinsatz. Und der Gedanke machte sie krank, dass Karl in so etwas verwickelt werden könnte. Dass durch seine Hand Unschuldige ums Leben kamen.
     
    Marie wunderte sich selbst, wie ruppig sie mit Felix verfuhr.
    Sie schickte den Jungen erst einmal ins Bad. Die Hände waschen. Dann schimpfte sie ihn aus, weil er mit Straßenschuhen in der Wohnung herumlief. Das konnte sie gar nicht ertragen. Das wusste er doch. Und dennoch tat er es.
    Warum machte sie das? Ausgerechnet jetzt? Marie wusste es auch nicht. Vielleicht war es eine Art Schutzmechanismus. Sie wollte nicht, dass der Junge bemerkte, in welch einem schrecklichen Zustand sie sich befand. Er brauchte jetzt eine starke Mutter. Keine Heulsuse.
    Der Junge parierte.
    Er erschien mit gewaschenen Händen und in seinen Pantoffeln in der Küche. »Und jetzt?«
    Am liebsten hätte sie ihn in den Arm genommen. Aber das verbat sie sich. Sie hätte sicher sofort wieder geheult.
    »Es gibt zu essen. Setz dich!« Der Junge tat es. Dann fragte sie etwas freundlicher: »Du hast sicher Hunger?«
    »Es geht«, antwortete der Junge brav.
    Jetzt erst fiel ihr ein, dass sie noch nichts vorbereitet hatte. Der Junge reckte schon den Hals. »Was gibt’s denn heute?«
    Sie holte einen Topf aus dem Schrank, ließ ihn halb voll mit Wasser laufen und stellte ihn auf den Herd. Sie entzündete die Gasflamme. »Suppe.«
    »Was für welche?«
    »Suppe eben!« Sie wusste selbst, dass ihr Ton unangebracht war. »Welche hättest du denn gerne?«
    »Buchstabensuppe.«
    Das hätte sie sich denken können. Sie kramte im Schrank. Unter angebrochenen Fertigsoßenpackungen gab es noch eine Tüte mit Buchstabensuppe. Kochzeit acht Minuten.
    »Dauert’s noch lange?«
    Der kleine Herr wird leicht ungeduldig, wenn’s ums Essen geht. Wie sein Vater. Der kann auch nicht warten. In der Pizzeria will er wieder gehen, wenn es länger als zehn Minuten dauert, bis er sein Essen bekommt.
    Marie schossen die Tränen in die Augen. Karl war tot. Tot. Von einer Bombe zerfetzt, die ein Taliban in einem Kleintransporter gegen den Mannschaftswagen gefahren hatte, in dem er gesessen hatte.
    In tausend Stücke zerrissen. Maries Mann. Der, mit dem sie ihr Leben hatte verbringen wollen. Der Vater ihres Kindes. Nur noch ein blutiger Fleischklumpen. Am anderen Ende der Welt. Im Matsch eines schmutzigen, mittelalterlichen Flecken.
    Und Marie kochte Buchstabensuppe.
    »Was hast du, Mama?«
    Der Junge saß kerzengerade am Tisch. Hochkonzentriert. Er war aufgewacht. Seine Mutter heulte, während sie ihm Buchstabensuppe kochte.
    Das war eigentlich der Moment, den sie brauchte. Der Junge ahnte etwas. Er spürte das Unheil, das in der Luft lag. Sie musste ihn nicht vorbereiten. Sie sollte es ihm jetzt sagen.
    Jetzt.
    Dein Vater, er ist bei einem Anschlag ums Leben gekommen. Ja, er ist tot. Er wird nie wieder zurückkommen aus diesem verdammten Afghanistan.
    Marie riss ein Blatt Küchenrolle ab und wischte sich damit die Tränen ab.
    »Weißt du was?«, fragte er.
    Marie zog die Nase hoch. »Was denn, mein Schatz?«
    »Ich schreibe Papa einen Brief.«
    Konnte ein Kind so etwas verkraften? Dass der Vater in den Krieg zog und im Sarg zurückkam? Das hatte es im letzten Weltkrieg sicher millionenfach gegeben. Die Kinder hatten es irgendwie überstanden. Aber ihr Sohn auch? Er war so zart. So verletzlich. Und er hing so an seinem Vater. Das war Marie erst aufgefallen, als Karl schon in Kundus war.
    Früher war Felix nie von ihrer Seite gewichen. Ein Mutterkind. Karl war sich oft etwas überflüssig

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